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Parker’s Memories

Autor: Miss Catherine
E- Mail: LosAngelesnaumann@web.de
Spoiler: Diese FF kann man nicht genau in den Verlauf der Story einbauen. Sie spielt auf jeden Fall nach Tommys Tod, aber ich kann nicht genau sagen ob nach den filmen oder noch später oder eher. Ist im Prinzip auch egal. ;)
Disclaimer: Die bekannten Figuren in meiner Geschichte gehören nicht mir sondern TNT und NBC. Ich hab sie mir nur geliehen.

Miss Parkers Haus
Blue Cove, DE
Früh Morgens


Ich wachte durch die Sonnenstrahlen auf, die durch meine Schlafzimmerfenster fielen. Ich hasste es, wenn so früh schon die Sonne schien. Die Leute verhielten sich dann immer so eigenartig, wie sagt man…fröhlich. Das konnte ich noch nie wirklich verstehen. Wie kann das Wetter die Gefühle von Menschen beeinflussen? Wenn es anders herum wäre und ich das Wetter anhand meiner Gefühle bestimmen könnte, würde es wahrscheinlich immer regnen und gewittern. Es gab schon lange keinen Grund mehr für mich fröhlich zu sein. Und an einem Ort wie dem Centre schon gar nicht. Nur wenn ich daran denke, wie dieser Glatzkopf Raines mit seiner Scheinheiligkeit jedes Mal seinen verdammten Hintern retten kann, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Aber genug jetzt. Ich sollte nicht so oft an dieser korrupte Organisation denken, schon gar nicht an meinem freien Tag. Ich weiß gar nicht mehr, wie lange es schon her ist, seit ich das letzte Mal einen freien Tag hatte. Aber an diesem Tag brauchte ich das einfach. Ich drehte mich in meiner bequemen Seidenbettwäsche auf meine linke Seite und griff nach dem gerahmten Foto auf dem kleinen Tisch. Es zeigte mich und Tommy. Noch heute schmerzen die Erinnerungen an seinen Tod, der ja nun auf den Tag 3 Jahre her ist. Im letzten Jahr war ich auch wieder zum Friedhof gegangen, so wie das Jahr zuvor, an seinem ersten Todestag. Der eine Besuch im Jahr reichte mir vollkommen. Manchmal war schon der Drang da, an sein Grab zu gehen. Doch ich könnte es nicht aushalten.
Ich schüttelte den Kopf. Das viele Grübeln war nicht gut. Nur ungern begab ich mich aus meinem schönen weichen Bett, doch mein Magengeschwür machte mir wieder Probleme. Als ich über der Toilette hing, hatte ich das Gefühl, ich würde meine gesamten Organe mit erbrechen. Ich drückte die Spülung und ging zum Waschbecken. Während ich mein Gesicht wusch blickte ich oft auf, in den kleinen runden Spiegel, der über dem Waschbecken hing. Ich sah erbärmlich aus, und dünner war ich auch geworden. Ich musste mindestens 5 Kilo verloren haben. In der letzten Zeit war mir nun mal nicht nach essen. Sydney sagte mir oft, er würde sich sorgen und flehte mich förmlich an, wieder etwas zu essen. Manchmal machte mich diese Sorge verrückt, egal von wem sie kam. Ich konnte das einfach nicht ertragen. Doch ich wusste, dass Sydney es nur gut meinte.
Ich ging langsam ins Schlafzimmer zurück. Mir war nicht danach, mich so aufzudonnern, wie sonst. Immerhin hatte ich ja frei. Ich öffnete die Kommode, in der ich die Sachen verstaute, die ich nur selten Anzog. Ich griff hinein und zog eine alte Jeans und eins von Tommys Flanellhemden heraus. Als ich angezogen war ging ich ins Bad um mir die Haare zu kämmen. Sie waren inzwischen wieder ziemlich lang geworden, sie hingen bis zur Mitte meines Rückens herunter. Mum trug ihre Haare auch immer so lang. Das gefiel mir immer sehr. Ich band meine Haare einfach nur zusammen. Dann begab ich mich in die Küche. Morgens brauchte ich unbedingt meinen Kaffee. Schon ein Schluck und ich war ein neuer Mensch. Kurzer Hand hatte ich beschlossen etwas später an Tommys Grab zu gehen. Ich wollte unbedingt das Fiasko von seinem ersten Todestag vermeiden. Damals kam Jarod an sein Grab, und ich war nicht gerade sehr scharf darauf diese kleine Laborratte zu sehen. Jarod wusste sowieso, dass er in meiner Nähe in Gefahr wäre. In letzter Zeit kam mir oft der Drang ihn einfach zu erschießen wenn er mir über den Weg lief. Immerhin besaß er die Dreistigkeit mir all die Jahre auf den Geist zu gehen und sich nun einfach nicht mehr zu melden.
Als ob ich es vorausgesehen hätte. In genau diesem Augenblick klingelte mein Telefon. Auch ahnte ich wer es war. Genervt hob ich ab. „Was ist?“, zischte ich in den Hörer. Am anderen Ende meldete sich die Stimme, von der ich mir dachte, dass sie mich anrufen und nerven würde. „Guten Morgen, Miss Parker. Hier ist Jarod. Haben sie gut geschlafen?“ Schon der Ton seiner Stimme brachte mich zum Kochen. Ich wollte von niemandem gestört werden, schon gar nicht von ihm. „Was soll die Frage?“ Ich hoffte, dass dieses Gespräch schnell ein Ende haben würde. „Ich habe daran gedacht welcher Tag heute ist.“ „Und da dachten sie sich, sie müssten mich anrufen und mir auf die Nerven gehen?!“, unterbrach ich ihn. Es war eine Weile Stille am Telefon. Vielleicht war ich etwas zu grob. Das passierte mir ständig. Obwohl dies auch seine Vorteile hatte. Auch wenn ich es nur ungern zugebe, so tut es mir doch ziemlich gut, mich mit jemandem zu unterhalten, der mich gut kennt und meine Gefühle nachvollziehen kann. „Ich habe wieder oft an Mum und Tommy gedacht. Mum hätte ihn sehr gemocht.“ Jarods Stimme klang trauriger als zuvor. „Und er hätte ihre Mutter auch gemocht. Sie war eine liebenswerte Frau. Schaffen sie das heute?“ Ich war verblüfft. Er machte sich richtige Sorgen. „Von Jahr zu Jahr fällt es mir leichter. Immerhin ist es nun schon drei Jahre her. Irgendwann muss das Leben weitergehen.“ Bevor ich die Gelegenheit bekam etwas unüberdachtes Dummes zu sagen hatte ich auch schon aufgelegt. Mir war nicht nach einem Gespräch zumute. Nach einigen Minuten des Zögerns griff ich nach meiner Tasse Kaffee und begab mich auf die Veranda. Ich stellte die Tasse auf das breite Holzgeländer, dann ging ich kurz noch mal ins Haus um etwas zu holen. Als ich wieder auf die Veranda kam hatte ich eine silberne Schatulle in der Hand. Daddy hatte sie mir vor knapp 10 Jahren zum Geburtstag geschenkt. Ihr Deckel war mit vielen Gravuren verziert. Da drin bewahrte ich immer meine Zigaretten auf. Eigentlich hatte ich aufgehört, kurz bevor ich Tommy kennen lernte, aber in den letzten Tagen überkam mich immer öfter dieser Drang zu rauchen. Mit leicht zitternder Hand öffnete ich die Schatulle, nahm eine Zigarette heraus und zündete sie an. Ein befriedigendes Gefühl ging durch meinen Körper, als ich genussvoll den ersten großen Zug einatmete. Ich hatte mir selbst versprochen nicht mehr anzufangen, aber im Leben änderte sich immer so viel. Was machte es da aus, ob ich nun rauchte oder nicht? Ich rauchte genüsslich zu ende und nippte zwischendurch ab und zu an meinem Kaffee. Dann ging ich wieder ins Haus. Ich stellte die Tasse ab und überlegte was ich als nächstes machen sollte. Nach ein paar Minuten entschloss ich ein heißes Bad zu nehmen. Das würde mir gut tun.

Friedhof
Blue Cove, DE
14:23 Uhr


Die Stunden vergingen nur langsam. Das Bad war entspannend, genau das Richtige, was ich an so einem Tag gebraucht hatte. Danach hatte ich mich auf den Weg gemacht.
Unterwegs hatte ich Blumen besorgt, die ich an Tommys Grab legte. Dieses Jahr wusste ich nicht recht, was ich Sagen oder Denken sollte. Meine Gefühle schienen auch nicht mehr dieselben zu sein. Erst in so einem Augenblick wird einem immer bewusst, wie sehr sich alles ändert. Durch Tommy habe auch ich mich verändert. Im Centre konnte ich das natürlich nie zeigen. Doch ich merkte es immer wieder. Ich schüttelte den Kopf. Schon wieder. Seit wann denke ich, Miss Parker, über das Leben nach? Langsam entfernte ich mich wieder von dem kleinen Grabstein und ging in Richtung Ausgang des Friedhofes. Ich warf noch einen letzten Blick zurück, dann stieg ich in meinen Wagen und fuhr wieder nach Hause. Immer wieder wurde mir klar, dass mich eigentlich nichts mehr an Tommy festhielt. Meine Rache an seinem Mörder hatte ich, mehr oder weniger freiwillig, bekommen. Ich hatte seinen Tod nun auch vollständig verarbeitet. Die Zeit zum Loslassen war gekommen, auch wenn es mir schwer fiel. Den Rest des Tages würde ich sicher nutzen um meine Gedanken zu ordnen und mich ihnen klar zu werden. Da ich das nicht sehr oft tat, beschloss ich, dass es endlich mal Zeit wurde.

The Centre
Blue Cove, DE
Nächster Tag


Der Morgen war genau so furchtbar wie jeder andere auch. Nur mühsam konnte ich mich durchringen aufzustehen und ins Centre zu fahren. Ich dachte schon sehr oft daran einfach zu verschwinden, aber was würde das bringen? Am ende würde ich auch nur so enden wie meine Mum und Tommy. Ich lief mit meinen 10- Zentimeter- Stiefeln durch die großen Gänge auf den Weg in mein Büro. Schon von weitem konnte ich die Stimmen hören, die aus meinem Büro zu kommen schienen. Es gab normalerweise nicht viele, die es sich wagten da hineinzugehen, ohne dass ich drin war. Schwungvoll öffnete ich die Tür und wurde prompt von Sydney, der wie immer sein fröhliches Lächeln aufgelegt hatte – Gott, wie ich das hasste- und Broots, dem immer nervösen Techniker, begrüßt. „Guten Morgen, M- Miss Parker.“ Broots stotterte in meiner Gegenwart. Ein klares Zeichen dafür, dass der arme Kerl Angst vor mir hatte. Das war es wofür es sich lohnte im Centre zu arbeiten. Ich bin hoch angestellt, da kann ich auch Respekt erwarten. Ich nickte nur mit einem gespielten Lächeln zurück. Dann trat Sydney an mich heran. „Wir haben wieder Neuigkeiten von Jarod.“ Überrascht hob ich eine Augenbraue – wie typisch für mich. „Konnten Sie schon herausfinden wo er ist?“ Broots nickte hektisch und fröhlich zugleich. „Er ist in Los Angeles, Santa Monica. Er arbeitet dort in einem Hotel als Barkeeper.“ Ich lächelte zufrieden. „Dann lassen Sie alles vorbereiten. Bevor er uns wieder entwischt.“ Broots hob resignierend seinen rechten Zeigefinger. „Jarod hat schon alles erledigt, er will scheinbar, dass Sie alleine dort hin fliegen und ihn suchen.“ Genervt seufzte ich. Was hatte er nun wieder vor?
Ich wies Broots an mit seiner Arbeit fortzufahren. Auf diesen Befehl hin verließ er sofort mein Büro. Ich konnte mir ein Kopfschütteln gerade noch unterdrücken. Stattdessen holte ich aus meiner linken Jackett- Tasche meine silberne Schatulle heraus und nahm mir eine Zigarette. Schnell zündete ich sie an und nahm genüsslich den ersten Zug. Genau in diesem Moment bekam ich einen schockierten Blick von Sydney zugeworfen. Ich rollte mit den Augen. „Schauen Sie mich nicht so schockiert an!“ Sydneys Blick verwandelte sich in leichte Sorge. „Ich wusste nicht, dass sie wieder rauchen, Miss Parker.“ Jetzt reichte es. Ich fand es ja nett, dass er sich Sorgen machte, aber zu viel Sorge kann ich nicht ertragen. Nur mühsam konnte ich die Beherrschung behalten. „Syd, Sie sind nicht meine Mommy! Hören Sie auf mich zu bemuttern. Ich kann selbst auf mich aufpassen!“ Ich überlegte kurz. Sydneys Reaktion war die, die er immer zeigte, nach solchen Kommentaren – keine. Entschlossen ging ich auf die Tür meines Büros zu. Sydney schaute mich an. „Wo wollen sie hin?“ „Ich begebe mich in die Hölle, packe den Teufel bei den Hörnern und schleife in an seinem Schwanz wieder hier her zurück! Dann hab ich endlich meinen Seelenfrieden!“ Ich verließ das Büro noch ehe Syd antworten konnte.

Miss Parkers Haus
Blue Cove, DE
13:24 Uhr


Eigentlich wollte ich schon wesentlich früher zum Flughafen fahren, doch ich war ständig tief in meinen Gedanken versunken. Schließlich war ich dann an einem Punkt angelangt an dem es mir egal war, wann ich fliegen würde. Ein Gedanke verriet mir, dass Jarod nicht so schnell von seinem derzeitigen Aufenthaltsort verschwinden würde. Immerhin wollte er ja, dass ich nach Los Angeles komme. Da musste also irgendetwas faul sein. ‚Wer weiß, was er wieder im Schilde führt!’, dachte ich mir, als ich plötzlich bemerkte, dass ich schon minutenlang vor meiner kleinen Reisetasche stand und noch gar nichts eingepackt hatte. Ich ging zu meinem Kleiderschrank, in dem bald gar nichts mehr hinein passte, holte wahllos irgendetwas heraus und packte es ein. Ich wusste, dass ich das in LA bereuen würde, aber im Moment war es mir vollkommen egal was ich mitnahm und was nicht. Nachdem ich schließlich alles eingepackt hatte. Schnappte ich mir die Tasche, brachte sie zum Auto und begab mich auf den Weg zum Flughafen. Ich war gespannt was mich erwarten würde.

Flugzeug
Auf den Weg nach Los Angeles


Ich drehte mich hin und her, während ich versuchte etwas zu schlafen. Doch es war zwecklos. Irgendetwas hielt mich wach. Scheinbar war es der Gedanke, dass ich nicht wusste, was Jarod vorhatte. So etwas beunruhigte mich immer, auch wenn ich es nie zugeben würde. Das Flugzeug war vor ein paar Stunden gestartet und es würde nicht mehr lange dauern, bis es auch schon wieder landet.

Hotel Santa Monica, Kalifornien
14:05 Uhr (Zeitverschiebung, wäre in DE ca. 17:05 Uhr)


Es hatte gar nicht mehr so lange gedauert bis das Flugzeug gelandet war. Das Klima in Kalifornien war ganz anders als in Blue Cove. Das merkte man sofort.
Auf dem Flughafen hatte ich mir ein Taxi bestellt und mich zum Hotel bringen lassen, dass Jarod für mich ausgesucht und gebucht hatte. Ich musste ehrlich zugeben, dass der Junge durchaus Geschmack hatte. Mein Hotelzimmer war groß und mit den besten Möbeln eingerichtet. Das Zimmer besaß eine kleine Stube, ein großes Schlafzimmer mit einem schönen Bad, das mit Wanne und Dusche ausgestattet war, und einen großen Balkon, auf dem ein kleiner runder weißer Tisch mit zwei ebenfalls weißen Stühlen standen. An den hohen Fenstern hingen weiße Seidengardinen, durch die man ein bisschen hindurchsehen konnte. Sie wehten durch den Wind, der durch die offene Balkontür hineinkam, hin und her. Es war eine angenehm warme Brise. Das liebte ich an diesem Klima.
Schnell war meine Tasche ausgepackt und die Kleidungsstücke, die ich mitgenommen hatte, im Schrank verstaut. Da es an diesem Tag sehr warm war, beschloss ich, mein weißes knielanges Trägerkleid anzuziehen, dass einen beachtlichen Ausschnitt besaß. Ich hatte es sehr lange nicht getragen, konnte mich aber noch sehr gut erinnern, wie gut es Mom gestanden hatte. Sie hatte es mir ein paar Tage bevor sie erschossen wurde geschenkt. Seit dem bewahrte ich es sehr gut auf. Ich stand vor dem großen Spiegel und betrachtete mich. Dabei stellte ich fest, dass ich Mom sehr ähnelte, fast so, als wären wir Zwillinge. Doch das Äußere trügt. Mir war schon lange klar, dass ich nie so wie Mom sein würde, auch wenn ich mir noch so viel Mühe gab. Ich schüttelte den Kopf. Das brachte mich auch nicht weiter.
Ich wunderte mich, was Jarod vorhatte. Er hatte keine Nachricht oder sonst irgendetwas hinterlassen. Was führte er im Schilde? Ich zuckte schließlich mit den Schultern. Ich würde es schon noch erfahren.
Ich beschloss, da ich ja schon mal hier war, mich etwas umzusehen und fand prompt die Bar, die extra im Raum neben dem Speisesaal eingerichtet war. Ich setzte mich an den Tresen und studierte die vielseitige Auswahl. Ich war in die Karte vertieft als ich plötzlich eine Stimme mir gegenüber hörte. „So früh am Tag wollen sie schon trinken? Das ist nicht gut für ihr Magengeschwür!“ Die Stimme klang männlich und dunkel. Es wäre mir nicht einmal sonderlich aufgefallen, wenn nicht dieser letzte Satz gewesen wäre. Das sagte nur einer zu mir… Ich sah auf und vor mir stand er: Jarod! Meine Augen weiteten sich. „Also arbeiten sie immer noch hier!?“ Er nickte mit seinem typischen Lächeln. „Einen so schönen Job kann ich nicht einfach aufgeben.“ Ich zog verwundert eine Augenbraue hoch. War er wirklich so naiv? Als ob er meine Gedankengehört hatte sprach er weiter. „Sie können mich gar nicht zurückbringen. Sie haben weder Broots, Sydney noch irgendwelche Sweeper dabei. Ihre Waffe wurde ihnen bei den Sicherheitskontrollen abgenommen.“ Ich dachte nach… Er hatte tatsächlich Recht. Bei einem normalen Linienflug sind keine Waffen an Bord erlaubt. Ich musste sie wohl oder übel am Flughafen in Blue Cove zurücklassen. Außerdem war ich allein in Kalifornien. Wenn ich die anderen informieren würde, würde mich das nicht weiterbringen. Hier gab es weit und breit keine Möglichkeit einen Jet oder einen Hubschrauber zu landen. Das Hotel war von einer riesigen Anlage umgeben und war mitten am Strand. Der nächste Flughafen, auf dem ich auch angekommen war, war ein ziemliches Stückchen entfernt. Ich seufzte resignierend. Fabelhaft! Warum falle ich auch jedes Mal wieder auf diesen Wunderknaben rein?
Jarod stellte mir schließlich einen Drink hin. Ich hatte nichts bestellt, aber er kannte meinen Geschmack und wusste, welchen ich nehmen würde: Scotch, allerdings mit Eis. „Den werden sie sicher brauchen.“ Ich griff nach meinem Drink und sah in an. „Wenn sie wüssten.“ Schnell war der Drink ausgetrunken. Auch wenn ich das Verlangen nach mehr hatte, zwang ich mich es bei diesem einen zu belassen. Jarod sah mich an. Sein Blick war so vielsagend, seine Augen so sanft und seine Stimme so ruhig und liebevoll. „Sie würden mich nicht zurückbringen.“ Ich sah ihn an. Was sollte ich jetzt sagen? Ich war drauf und dran mich in diesem Blick zu verlieren. „Woher wollen sie das wissen, Jarod?“ Jarod, dieser Name. Jedes Mal wenn ich ihn sagte oder hörte bekam ich eine Gänsehaut. Ich schüttelte leicht den Kopf. Was war nur los mit mir? Ich war sonst nicht so. Lag es vielleicht an dieser Atmosphäre, an meinem Scotch, den ich intus hatte, oder lag es an der Tatsache, dass wir allein waren? Das letzte mal konnte ich mit Jarod so ungestört reden, als wir auf Carthis waren. Ich erinnere mich, dass die Situation damals ähnlich war. Wir waren allein, das heißt es war niemand aus dem Centre in der Nähe und ich wusste, dass wir unter uns waren, von Ocee abgesehen. Vielleicht lag es daran, dass ich anders war, wenn ich wusste, dass vom Centre keine Gefahr drohte. Denn im Prinzip hatte Jarod Recht: Wenn ich ihn wirklich hätte zurückbringen wollen, wäre die Jagd schon vor Jahren beendet gewesen. Es gab so viele Möglichkeiten ihn zurückzubringen und er war immer noch frei. Das lag auf jeden Fall nicht nur an seiner Intelligenz, von Angelos Hilfe mal ganz abgesehen.
Erst jetzt spürte ich Jarods Blick, der auf mir zu ruhen schien. Ich sah ihn an, er lächelte. „Ich weiß, dass sie mich nie zurückbringen würden. Sie sind eine kluge Frau, Parker. Wenn sie es gewollt hätten, wäre ich jetzt schon lange wieder im Centre.“ Hatte er meine Gedanken gelesen? Nein, wir waren uns nur sehr ähnlich. Wir haben unsere Kindheit zusammenverbracht. Jeder wusste von dem anderen wie er dachte. Ich wollte ein anderes Thema anschneiden. „Warum wollten sie, dass ich hier her komme, allein?“ Jarod lächelte immer noch. „Sie haben eine Auszeit vom Centre verdient. Außerdem gibt es doch sicher einige Dinge zum Reden.“ Ich sah ihn erstaunt an. „Reden? Über was denn, zum Beispiel?“ Er zuckte mit den Schultern. „Thomas.“ Ohne es zu wollen zuckte ich leicht zusammen. Jarod war der einzige, mit dem ich je wirklich über Tommy gesprochen hatte. Doch was gab es da zu bereden? Ich zuckte ebenfalls mit den Schultern. „Über Tommy gibt es nichts mehr zu sagen.“ Ich sah ihn an und sah seine Reaktion. Er sah mich so an wie vorher, als hätte er darauf gewartet, dass ich das sage. „Warum gibt es nichts mehr über ihn zu sagen?“ Jarods Stimme klang sanft. Ich wandte meinen Blick nicht von ihm ab. Ich konnte es nicht. Es war so, als hätte er meinen Blick mit seinem gefangen. „Ich weiß nicht, Jarod. Ich habe Tommys Mörder ausfindig gemacht und ihn bestraft… na ja, mehr oder weniger.“ Bei diesem Satz musste ich an Brigitte denken. Zu erst wollte ich sie einfach nur erschießen, doch dann war ja da das Baby. Sie war bei der Geburt gestorben und muss zugeben, dass es mir sehr leid getan hatte. Brigitte hatte den Mord zugegeben und sich aufrichtig entschuldigt, sie bereute es scheinbar auch. Ich sah weiter zu Jarod. „Tommys Tod ist jetzt so lange her. Es wird Zeit darüber hinwegzukommen. Ich habe den Tod verarbeitet. Es gibt nichts mehr zu trauern. Sein Tod wurde gerächt und ich bin vollkommen darüber hinweg. Schon seit einiger Zeit.“ Jarod nickte. Er verstand mich gut. Ich hatte Tommy zwar geliebt aber nun war es Zeit wieder jemanden zu suchen, mit dem ich meine Zukunft verbringen konnte. Thomas hätte auch gewollt, dass ich nicht allein bleibe.
Ich stand plötzlich auf und sah Jarod auffordernd an. „Wo wohnen sie eigentlich?“ Jarod grinste. „Hier in dem Hotel.“ Ich nickte. „Wann haben sie Feierabend?“

Die Stunden waren vergangen wie im Flug. Ich hatte meinen Centre- Jägerinnen- Verstand einfach ausgeschaltet und war plötzlich ganz anders.
Jarod und ich sind durch die ganze Anlage des Hotels spaziert und haben uns dabei über so viele Dinge unterhalten. Mir kam es so vor, als wären wir wieder Kinder. Das letzte mal haben wir uns so gut verstanden als wir als Kinder immer im Centre gespielt hatten. Dann wurden sie erwachsen und es änderte sich alles. Wir wollten es nicht, aber wir mussten es so hinnehmen. Doch eigentlich hatten wir die Macht, dass zu ändern, wir hatten es bloß nie gewusst oder wahr genommen. Ich zumindest nicht.
Schließlich saßen wir auf einer Bank und ruhten uns aus. Uns waren die Gesprächsthemen ausgegangen. Wir hatten über unsere gesamte Vergangenheit gesprochen und ich merkte nun zum ersten Mal richtig, dass ich eigentlich alles komplett verarbeitet hatte, was damals schief gelaufen war, vor allem Moms Tod. „Das ist die perfekte Gelegenheit endlich mit der Vergangenheit abzuschließen.“, sagte Jarod neben mir. Ich nickte und lächelte automatisch. „Ja das stimmt. Ich hätte das eigentlich schon längst tun können. Aber ich glaube das einzige, was mir eben dazu gefehlt hat, war ihr Anstoß.“ Ich sah Jarod direkt in die Augen. „Ich glaube, auch wenn ich es sonst nie zugegeben hätte, bin ich immer auf ihre Hilfe angewiesen gewesen, weil ich mich selbst nie wirklich getraut hatte. Ich hatte immer Angst so zu enden wie Mom.“ Jarod lächelte. „Nein, sie brauchen meine Hilfe nicht. Sie sind stark genug, das allein zu schaffen. Das Einzige war, dass sie sich nur nicht getraut hatten. Ich habe ihnen lediglich den Anstoß gegeben, sich endlich zu trauen mit der Vergangenheit abzuschließen.“ Ich nickte. Er hatte irgendwie schon Recht.
Eine lange Stille entstand, in der wir einfach nur dasaßen und nachdachten. Da kam mir ein Gedanke. „Aber sie haben mich doch nicht nur hier hergeholt um mir klar zu machen, dass ich so weit bin, meine Vergangenheit hinter mir zu lassen.“ Jarods Blick wurde verlegen. „Um ehrlich zu sein nein. Das wäre am Telefon genauso gut gegangen.“, sagte er dann lachend, wobei er mich mit seinem Lachen ansteckte. Dann sah er mich ernst an. „Ws wird jetzt aus uns? Diese Frage haben sie mir seit wir von Carthis weg waren nicht beantwortet.“ Ich überlegte kurz und handelte schließlich mehr aus freien Stücken. Ich legte meinen Finger auf seine Lippen und zog ihn mit mir. Wir gingen den kürzesten Weg zurück zum Hotel, direkt auf mein Zimmer. Dort angekommen zog ich ihn sanft ins Schlafzimmer. Irritiert aber doch lächelnd sah er mich an. „Was wird das hier?“ „Ich beantworte ihre Frage.“ Mein Blick war verführerisch und Jarod wusste, was das zu bedeuten hatte. Ich trat nah an ihn heran, ließ meine Finger über sein Gesicht gleiten und küsste ihn schließlich. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und erwiderte den Kuss. Nach kurzer Zeit fuhr er mit seinen Händen über meinen Rücken und zog den Reißverschluss an meinen Kleid ganz auf. Ich schlüpfte mit meinen Armen aus den Trägern und das Kleid viel zu Boden. Sanft drängte ich Jarod aufs Bett, wo ich auch anfing die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. Mit einem Ruck war das Hemd ausgezogen und fiel zu Boden. Nun war seine Hose dran. Mit einer schnellen Bewegung war auch diese offen. Jarod half mir ihm die Hose auszuziehen, so ging es schneller. Nun lag er vor mir, sein muskulöser Körper war nu noch von einer Boxershorts bedeckt. Ich fuhr mit meinen Händen seinen Körper entlang bis ich wieder bei seinem Gesicht war. Er drehte mich auf den Rücken und wir küssten uns leidenschaftlich.
Diesen Abend und diese Nacht nutzten wir um entgültig mit der Vergangenheit abzuschließen und ein neues Kapitel in unserem Leben anzufangen, wobei uns dies weniger interessierte. Die Leidenschaft umgab uns und die Sehnsucht nach der Berührung des anderen füllte uns aus. Ich konnte nie sagen, woher meinerseits der plötzliche Sinneswandel kam. Ich wusste schon lange, seit wir Carthis verlassen hatten, dass ich mehr für Jarod empfand als ich sollte. Mir war auch klar, dass es mich mein Leben kosten würde, wenn ich meine Gefühle zeigen würde. Doch nun in seiner Gegenwart störte mich das nicht mehr. Das einzige was ich wollte, war ihn zu lieben. Zum ersten Mal kümmerte ich mich nicht um das Centre. Denn dies war der Moment den sie fürchteten. Sie wussten genau, dass Jarod und ich, zusammen, die Möglichkeit haben würden das Centre zu vernichten.

Am nächsten Morgen erwachte ich durch Jarods starke Arme, die sich um meine Tallie schlangen. Ich drehte mich leicht zu ihm um und küsste ihn. Die letzte Nacht war sehr aufregend gewesen, denn nun hatte ich das getan, was ich immer wollte. Doch es war auch anstrengend. Zum Schlafen war die Nacht zu kurz. Ich lächelte bei dem Gedanken. Unser Liebesspiel ging bis in die frühen Morgenstunden. Ich wusste schon immer, dass Jarod auf jedem Gebiet ein Meister war. Doch, dass dies auch fürs Bett zutraf, hätte ich nicht vermutet.
Schnell stand ich auf, bevor ich wieder einschlief. „Was machst du?“, fragte mich Jarod verschlafen. Ich sah ihn an. „Ich packe und fliege wieder zurück.“ Seine Augen wurden größer. Es war Enttäuschung darin zu sehen. Ich lächelte verführerisch. Jarod blickte besorgt. „Was wird jetzt aus uns?“ „Du läufst weg und ich jage dich.“ Doch dabei lächelte ich ihn so sexy wie möglich an. Jarod wusste, dass die Bedeutung dieses Satzes verändert hatte. Ich würde ihn zwar weiterhin jagen, aber ihn niemals zurückbringen. Seine Hinweise wären immer eine Gelegenheit ihn zu sehen und eventuell vielleicht auch mit ihm zu schlafen. Doch ich würde ihn immer wieder entwischen lassen. Irgendwann würde die Gelegenheit kommen, dass Centre auszuschalten und auf diese Gelegenheit würden wir sehnsüchtig warten. Doch jetzt war es noch nicht so weit.
Unsere Liebe hatte eine Zukunft, wir wussten es beide sehr gut. Wir mussten nur vertrauen und Geduld haben. Irgendwann würde die Gelegenheit da sein, wir könnten das Centre für immer vernichten und zusammen ein neues Kapitel in unserem Leben beginnen. Jedoch erst irgendwann.
Ich gab Jarod einen Kuss und verschwand aus dem Zimmer und aus dem Hotel. Der Abschied tat auch mir weh, doch es musste sein. Den gestrigen Tag würde ich für immer in meinem Gedächtnis behalten, denn es war der Tag, an dem sich mein Leben und auch meine Einstellung änderten.
Auch wenn ich noch einige Zeit in diesem Höllenloch, was andere das Centre nannten, verbringen musste, wusste ich, dass sich alles bald vollkommen ändern würde und dann würden Jarod und ich frei sein und könnten für immer zusammensein, ohne das es jemand verhinderte. Darauf wartete ich und dieser Gedanke machte mich stark. Man könnte sagen, durch den gestrigen Tag wurde eine neue Miss Parker geboren.


***Ende***









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