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Rechtliche Hinweise: Die bekannten Charaktere der Fernsehserie The Pretender gehören wie jeder weiß MTM und NBC. Also dient meine kleine Geschichte keinerlei kommerziellen Zwecken, sondern dient nur der Unterhaltung... und zur Überbrückung der Wartezeit auf Neues von unserer beliebten Fernsehserie.
Spoiler: Bis zum Ende der vierten Staffel .






Der Pakt
© by Foxee

Kapitel 2






Jarod lag auf dem Boden. Er war auf die Seite gedreht und die Arme waren hinter dem Körper gefesselt. Auch die Beine waren zusammengebunden. Er trug eine schmutzige Hose und ein zerrissenes Hemd. Eine genauere Beurteilung seines Körpers konnte sie nicht vornehmen, da das Licht dafür zu schwach war.

Was aber sofort auffiel, war der dicke Knebel. Er schien ihn völlig am Atmen zu behindern... Miss Parker erwachte aus ihrer Starre. Er erstickte!! Seine Augen waren so verdreht, daß sie meinte, das Weiße darin zu sehen. Seine Nase war gebläht in dem verzweifelten Versuch, noch etwas Sauerstoff aufzunehmen. Juchzende und stöhnende Geräusche verrieten, daß diese Bemühungen nicht besonders von Erfolg gekrönt waren. Verzweifelt rieb er den Kopf auf dem harten Boden entlang nach hinten und versuchte so, den Knebel abzustreifen. Jedoch ohne Erfolg. Sein ganzer Körper bäumte sich bei diesen Versuchen auf und erzitterte vor Anstrengung und Panik.

"Oh mein Gott..." entfuhr es Sam, der sich hinter ihr in den Raum gequetscht hatte.

"Sam, helfen sie mir." Miss Parker eilte auf Jarod zu und kniete sich vor ihn. Vergeblich versuchte sie, den Knebel zu packen zu bekommen. Er schlug weiter mit dem Kopf und schien sie gar nicht zu bemerken.

"Jarod! Beruhige dich! Ich... will dir doch nur helfen..."

Sam kniete sich hinter ihn und versuchte, ihn festzuhalten. Miss Parker packte Jarods Kopf von vorn und versuchte es erneut.

Doch Jarods logischer Verstand war völlig ausgeschaltet, nur die pure Panik hielt ihn in ihren Krallen. Er wehrte sich jetzt verzweifelt gegen die festen Griffe, die ihn gepackt hatten und bekam durch die zusätzliche Anstrengung immer weniger Luft.

Miss Parker zog und zerrte verzweifelt am Knebel, doch er rührte sich kein Stück. Derjenige, der ihn angebracht hatte, wollte offensichtlich ganz sicher gehen, daß er auch richtig saß.

"Miss Parker! Halten sie seinen Kopf ganz fest" hörte sie plötzlich Sam sagen. Als sie überrascht aufblickte, sah sie, wie er ein Schweizer Taschenmesser aus der Tasche zog. Sie nickte und packte Jarods Kopf energisch. Beunruhigt bemerkte sie, daß seine Gegenwehr immer weniger wurde.

Sam zog am Knebel und begann ihn durchzuschneiden. Er ging dabei nicht besonders sanft vor, doch in diesem Fall sagte Miss Parker nichts dagegen.

Schließlich war es geschafft. Miss Parker zog den Knebel aus Jarods Mund und entfernte auch den Stoff-Fetzen, der geknäult in seinen Mund gestopft worden war. Kein Wunder, daß er keine Luft mehr bekam... Wie lange er wohl so gelegen hatte?

Jarod hustete, keuchte und sog mit einem juchzenden Geräusch die Luft ein.

Auf einen Wink von Miss Parker schnitt Sam auch noch die Seile an Jarods Händen und Füßen durch.

Aber seine Arme waren vom langen Liegen in dieser unbequemen Position so taub, daß er sie kaum bewegen konnte. Miss Parker half ihm und zog sie in eine etwas bequemere Stellung. Immer noch hatte sie nicht das Gefühl, daß er sich ihrer Anwesenheit bewußt war.

"Hören sie, sie können doch nicht einfach...! Ich werde Mr. Lyle berichten, daß..." kam eine zittrige Stimme von der Tür.

Miss Parker stand auf, machte einige Schritte und packte den Mann am Kragen. "Jetzt hören sie mal zu! Er wäre fast erstickt! Und sie Trantüte haben hier gesessen und vor sich hin gedöst! Wenn ich das dem Triumvirat erzähle, dann sind sie geliefert, klar! Ich meine, dann gibt es nicht einfach eine Verwarnung oder so... Ich werde dafür sorgen, daß sie die volle Verantwortung dafür übernehmen!! Wissen sie, was das für sie heißt?"

Jegliche Farbe wich aus dem Gesicht des armen Mannes. Er war noch nicht sehr lange im Center und hatte schließlich nur Mr. Lyles Anweisungen befolgt. Doch er hatte schon eine Menge Gerüchte über das Triumvirat gehört... und was mit Leuten geschah, die ihren Unwillen erregten.

Sam drängte den Mann aus dem Zimmer und behielt ihn im Auge. Miss Parker wandte sich wieder Jarod zu. Der hatte sich inzwischen mit der restlichen ihm verbliebenen Kraft zu einer Art Ball zusammengerollt, Arme und Beine dicht an den Körper gezogen. Er atmete immer noch sehr schnell, schwer und keuchend und er zitterte am ganzen Körper.

Miss Parker beobachtete ihn eine Weile, dann blickte sie auf einmal auf und betrachtete das Zimmer kritisch. Sie konnte ihn doch nicht hier lassen... in diesem Loch! Außerdem würde Lyle bestimmt bald auftauchen. Spätestens, wenn es wieder Zeit war für die täglichen Folter-Spielchen. Aber... jede Einmischung von ihr konnte sie den Kopf kosten... Jarod war eines der wichtigsten Projekte des Centers, wenn nicht sogar DAS wichtigste. Andererseits....

'Verdammt noch mal! Jetzt hab ich mich eh schon eingemischt, jetzt bringe ich das auch zu Ende! Ich werde doch nicht vor Lyle den Schwanz einziehen!' dachte sie energisch und faßte eine Entscheidung.

"Sam! Bringen sie mir einen Rollstuhl."

Der Sweeper sah sie verständnislos an. Dann dämmerte es ihm und seine Augenbrauen wanderten noch ein Stück höher.

"Sie wollen doch nicht..." piepste der andere verzweifelt. Doch sie ignorierte ihn einfach.

"Hier wird es doch wohl irgendwo einen geben. Nehmen sie ihn mit." sie zeigte mit dem Daumen auf die blasse Gestalt, die versuchte, sich unauffällig zu verdrücken. "Und passen sie auf ihn auf. Ich will nicht, daß er uns Lyle auf den Hals hetzt."

Sam nickte, verzichtete wieder darauf eine Erklärung von ihr zu kriegen, packte den anderen unsanft am Ärmel und verzog sich.

Miss Parker wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Jarod zu. Sie kniete sich vor ihn und streckte die Hand aus, um ihn anzustupsen... Vielleicht bemerkte er sie ja jetzt, wo er etwas Zeit zum Erholen gehabt hatte.

Jarod sah sie durchaus... aus den Augenwinkeln... Er sah die Hand auf sich zukommen... und versuchte ihr mit einem leisen Wimmern zu entfliehen. Da er jedoch nicht genug Kraft dafür hatte, konnte er gerade mal einige Zentimeter nach hinten ausweichen.

Miss Parker erstarrte in ihrer Bewegung als Jarod ängstlich vor ihr zurückwich. Zwei braune Augen beobachteten sie und flackerten panisch bei jeder Bewegung ihrer Hände.

'Was hat Lyle nur mit dir gemacht?' dachte Miss Parker voller Horror... vielleicht wollte sie das besser nicht wissen.

Ohne Nachzudenken fiel sie in einen beruhigenden Tonfall. "Es ist alles o.k., Jarod. Ich bin es, Parker. Keiner wird dir was tun..."

Vorsichtig streckte sie wieder die Hand aus. Jarod zuckte kurz, als sie ihn berührte und gab ein kurzes Wimmern ab, versuchte aber nicht mehr, vor ihr zu fliehen. Sie ließ ihre Hand auf seiner Schulter ruhen. Eigentlich wußte sie gar nicht, was sie jetzt tun sollte. Seine Augen waren inzwischen von ihren Händen zu ihrem Gesicht gewandert und er starrte sie an... ängstlich... aber mit einer Spur Hoffnung...

Da sie sich in einer sehr unbequemen Hockposition befand und ihre Knie langsam protestierte, setzte sie sich erst mal auf den Boden vor ihm. Jarod lag immer noch zusammengerollt da. Ein wenig erinnerte er sie an ein Kind, daß aus einem Alptraum aufwacht und nun Schutz sucht.

Während sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen und einen Plan auszuarbeiten, begann ihr Hand eine Art Eigenleben zu entwickeln. Zuerst beschränkte sie sich darauf, beruhigend über seine Schulter zu streichen. Offensichtlich mochte er das, denn er entspannte sich ein wenig und atmete jetzt etwas ruhiger. Dann wanderte die Hand höher, strich eine kurze aber widerspenstige Haarsträhne aus seinem Gesicht. Als sie begann, in ruhigen Bewegungen über seinen Kopf zu streicheln, schloß er die Augen.

Miss Parker wurde sich auf einmal bewußt, was sie tat und war überrascht über sich selbst. Doch sie hörte nicht auf. Seine Gesichtszüge entspannten sich weiter und man hätte fast denken können, er schliefe ein. Doch plötzlich öffnete er die Augen und sah sie fragend an. Miss Parker fühlte sich irgendwie, als wäre sie bei einer unerlaubten Handlung ertappt worden und wollte schon die Hand wegziehen, doch sein Blick fesselte sie und - sie wußte nicht warum - sie wollte ihre Hand nicht wegziehen.

Jarod öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber zuerst kam nichts als ein tonloses Keuchen heraus und dann etwas, daß an ein gekrächztes "Miss Parker" erinnern konnte.

"Pscht. Ist schon gut. Versuch, dich nicht gleich zu überanstrengen..." flüsterte sie ihm zu.

'Seid wann bin ich denn so fürsorglich?' dachte sie plötzlich.
Er hustete, wollte es noch einmal versuchen, wurde jedoch von einem schweren Husten-Anfall gepackt, der seinen Körper wieder schüttelte. Miss Parker zog überrascht die Hand weg. Als der Anfall abebbte, legte sie in einer automatischen und unbewußten Bewegung ihre Hand auf seine Stirn.

"Du glühst ja!" keuchte sie. Nicht nur, daß er hier gefesselt und geknebelt auf dem Boden einer schmutzigen kleinen Zelle lag... er hatte auch noch Fieber... sehr hohes Fieber sogar! Ihr Entschluß, ihn aus diesem Zimmer wegzubringen, erhärtete sich immer mehr. Und auf einmal wußte sie auch genau, wohin sie ihn bringen würde! Das würde zwar Riesenärger geben, aber das war ihr jetzt egal. Wenn ihn Lyle nicht mit dem Knebel ersticken würde, dann würde ihn bei seiner Fürsorge sicher das Fieber hinweg raffen.

Ihre Hand lag immer noch auf seiner Stirn. Jetzt wanderte sie zu seiner Wange, testete auch hier die Temperatur. Er schloß die Augen und genoß ihre kühle Hand auf seiner Haut.

Daß er so sichtlich ihre Berührung genoß, rief in Miss Parker plötzlich an ganz seltsames Gefühl hervor. Wieder sammelte es sich in ihrer Magengegend, doch diesmal war es kein Krampf oder ein Kloß... nein, dieses Gefühl war leichter... angenehm... ein wenig kribbelig... Als sie versuchte, es zu ergründen, erschrak sie über sich selber.

'Reiß dich zusammen! Du bist doch kein Teenager!! Ich meine... Nicht mal als Teenager hast du für solche... Gefühlsdusseleien Zeit gehabt... ... und auch keine wirkliche Gelegenheit...' niedergeschlagen dachte sie an die ersten Männer, in die sie sich verliebt hatte. Gleich der erste war eine Lektion fürs Leben gewesen. Er hatte ihr seine Gefühle nur vorgespielt, hatte sie benutzt und wollte durch sie Karriere im Center machen. Leider erfuhr sie davon erst spät... und auf eine sehr schmerzhafte Weise.

Warum dachte sie jetzt daran, was sie alles verpaßt hatte??... als Teenager... und junge Frau...?? Das hier war doch keine Disko, in der man Bekanntschaften machte... und... Warum war da immer noch dieses Kribbeln...?

'Gleich behauptest du noch, das seien `Schmetterlinge im Bauch`' begann sie eine interne Diskussion und schollt sich selber für diese Behauptung.

Sie wollte die stumme Redeschlacht schon weiterführe, als sie spürte, wie Jarod seine Hand auf ihre legte... auf die Hand, die immer noch auf seiner Wange lag.

Er schaute sie wieder an und irgendwie... beziehungsweise irgendwo in seinen tiefen braunen Augen schien sie sich zu verlieren. Sie konnte sich an vieles erinnern aus ihrer Kindheit und ihrer Zeit mit Jarod, aber nicht, daß seine Augen so tief und fesselnd wirkten... und das Kribbeln noch weiter verstärkten.

Sie wußte nicht, wie lange sie dort gesessen hatte und einander in die Augen sahen... doch es konnte, wie sie später von Sam erfuhr, nicht sehr lange gewesen sein. Trotzdem kam ihr dieser Moment wie eine Ewigkeit vor... und irgendwie wünschte sie sich, daß er noch etwas länger dauerte.

Plötzlich hörten sie vor der Tür ein leises Quietschen und zwei Stimmen. Sie löste ihren Blick von Jarod und schaute erschrocken zur Tür, bevor ihr einfiel, daß Sam ja mit dem Rollstuhl zurückkommen sollte. Sie überlegte, wie sie ihre Hand wieder von Jarods Wange bekommen sollte, ohne ihn durch diese Geste zu verletzen, doch er nahm ihr diese Last ab, indem er seine Hand von ihr löste und versuchte, sich ein wenig hoch zu stemmen.

Sam betrat den Raum und sah, wie Jarod Anstalten machte, sich auf Miss Parker zu stürzen - zumindest aus seiner Sicht der Dinge- die ihm und dem winselnden Etwas von einem Sweeper hinter ihm den Kopf zuwandte. Sofort griff Sam nach seiner Waffe und machte einen energischen Schritt nach vorne.

Miss Parker beobachtete ihn überrascht und bemerkte den grimmigen Gesichtsausdruck, mit dem er Jarod fixierte. Sie drehte sich zu Jarod, der es gerade mal mit viel Anstrengung geschafft hatte, sich halbwegs hinzusetzen und dann die Panik, die erneut in seinen Augen aufblitzte, als er ihren stämmigen Sweeper mit schnellen Schritten auf sich zu stürmen sah, eine Hand an der Waffe, die andere geballt.

"Sam!" Miss Parkers gebieterischer Tonfall ließ ihr sofort stoppen. "Bringen sie den Rollstuhl rein und helfen sie mir." Er schaute noch einmal warnend zu Jarod, dann ließ er die rechte Hand wieder sinken und marschierte wieder zu Tür.

Jarod drehte den Kopf und schaute Miss Parker verwirrt an. "Wofür...?" krächzte er. "Wofür ist der Rollstuhl?"

Miss Parker versuchte in ihre alte Rolle zurück zu finden und antwortete. "Na, als Genie solltest du das doch eigentlich wissen."

Sie sah den verletzten Gesichtsausdruck und bereute ihre schnippische Antwort sofort wieder. Doch statt noch etwas zu sagen, stand sie auf und ging zu den beiden Männern vor der Tür.

"Halten sie das für eine gute Idee?" fragte Sam endlich. "Ihn von hier weg zu bringen, meine ich. Er könnte auf dem Weg versuchen, zu fliehen. Das hat er früher schon getan..."

Miss Parker schüttelte den Kopf. "Ich denke nicht, daß es kein Problem geben wird. Ich glaube, er ist ziemlich schwer krank... Er hat hohes Fieber, wirklich hoch... Und er ist so schwach, daß er nicht mal allein auf den Beinen stehen kann. Nein, ich denke, er wird keine Schwierigkeiten machen."

Sam nickte und schob den Rollstuhl ins Zimmer. Miss Parker folgte ihm. Er packte Jarod unter dem rechten Arm und zog in hoch. Doch der knickte gleich wieder ein, obwohl Miss Parker sah, daß er sich anstrengte. Sie schob den Rollstuhl noch etwas näher und übernahm seine linke Seite. Als er endlich saß, sackte er in sich zusammen und wollte erleichtert lufthohlen, doch er wurde von einem erneuten Husten-Anfall gepackt. Als er sich etwas beruhigt hatte, wollte Sam seine Arme mit Lederriemen an die Armstützen des Rollstuhls fesseln, doch Miss Parker gab ihm ein Zeichen, es nicht zu tun. Sam betrachtete Jarod kritisch und kam zu dem Schluß, daß er wirklich elend aussah und Miss Parker mit ihrer Schlußfolgerung vermutlich recht gehabt hatte.

Miss Parker ging wieder aus dem Zimmer und Sam folgte ihr mit dem Rollstuhl. Der jüngere Sweeper stand immer noch etwas verloren im Gang und wußte nicht so recht, was er tun sollte. Miss Parker nahm ihm die Entscheidung ab: sie packte ihn, schaute ihm warnend in die Augen und sagte nur: "Zu den Aufzügen."

Der andere ergab sich in sein Schicksal und ging voran.

+++

In einem dunklen Zimmer betrachtete jemand die kleine Gruppe auf ihrem Weg durch die Flure von SL 22 auf einem Monitor, genauer gesagt, auf zwei Monitoren. Er verschränkte die Hände vor dem Gesicht - das man bis auf schemenhafte Umrisse nicht sehen konnte - und tippte die zwei Zeigefinger aneinander. Dann drückte er einige Tasten und spulte das Bild auf dem zweiten Bildschirm wieder zurück. Erneut schaute er sich die ganze Szene in der kleinen Zelle an, speziell den Teil, als Jarod und Miss Parker dort allein waren. Wieder tippten die Zeigefinger aufeinander.
"Hm... hm..." einige zufriedene Brummer begleiteten das leichte Grinsen, daß sich über dem Gesicht ausbreitete. Noch während er auf dem ersten Monitor das aktuelle Geschehen wieder verfolgte, griff er zum Hörer...

+++

Der kleine Trupp war inzwischen auf der von Miss Parker gewählten Ebene angekommen und bog in einen Gang ein. Sam hatte inzwischen einen Verdacht, wohin sie Jarod bringen wollte. Und er wurde bald bestätigt, als Miss Parker vor einer Tür anhielt und diese öffnete.

"Ich bin nur froh, daß die sich offensichtlich nicht die Mühe gemacht haben, das Zimmer abzuriegeln..." murmelt Miss Parker und ging voran.

Sam schob den Rollstuhl mit dem sehr ruhigen Jarod ins Zimmer. Erst als der Sweeper ihn anstupste und aus dem Sitz half, hob Jarod den Kopf und schaute sich seine Umgebung an. Erstaunt riß er die Augen auf und wäre fast über seine eigenen Beine gestolpert. Sam brummte etwas nicht sehr nettes und bugsierte ihn aufs Bett. Dort blieb er sitzen und schaute ungläubig auf den Mann vor ihm. Der hatte allerdings kein Interesse daran, mit ihm zu reden. Statt dessen sah er Miss Parker fragend an und wartete auf weitere Instruktionen.

Die überlegte kurz... "Sam, bringen sie den Rollstuhl weg und holen sie mir einen Arzt her."

Der Sweeper nickte, beschloß, sich heute nicht weiter über ihr Verhalten zu wundern, und trottete, immer noch den anderen Mann im Schlepptau, davon.
Jarod schaute Miss Parker verwirrt an.

Die konnte sich schon denken, was er sagen wollte. "Schon gut, Jarod. Ich denke, du solltest dich jetzt erst mal ausruhen..."

Sie suchte nach einem Kleiderschrank und kramte ein wenig darin herum.

"Ich möchte nicht, daß sie meinetwegen Ärger kriegen." kam auf einmal Jarods Stimme vom Bett her.

Miss Parker schaute ihn überrasch an. "Ähm... ich kriege das schon hin. Keine Sorge." Sie ging zu ihm und gab ihm etwas in die Hand. Überrascht stellte er fest, daß es einer seiner alten Schlafanzüge war. "Du willst dich doch nicht mit den schmutzigen Sachen ins Bett legen."

Jarod bemerkte, daß das Fieber seinen logischen Verstand doch erheblich beeinflußt haben mußte, denn er konnte sich nicht erklären, warum sie ihn hierher gebracht hatte und...

Als würde sein Körper automatisch auf ihre Befehle gehorchen begann er, sich das Hemd auszuziehen. Er keuchte kurz und sein Gesicht verzerrte sich schmerzvoll.

Miss Parker, die sich umgewandt hatte, damit er sich umziehen konnte, drehte sich überrascht um und beobachtete, wie er einige Verrenkungen vornahm, um das Hemd über seinen Kopf zu ziehen. Als er es endlich geschafft hatte war sie es, die scharf die Luft einsog. Zum ersten Mal konnte sie einen genauen Blick auf seinen Körper werfen... und die Spuren, die Lyle in den letzten Wochen hinterlassen hatte. Sie hatte ja schon vorher das Gefühl gehabt, Jarod sei etwas dünner als vorher. Doch nun sah sie, daß er etliche Kilo verloren hatte... er sah richtig dünn und ausgezehrt aus. Doch das war nicht das Schlimmste. Schockiert betrachtete sie seinen Rücken, der von blau-roten und anderen, inzwischen abblassenden Flecken übersäht war. Rote und zum Teil blutige Striemen zogen sich kreuz und quer über die Haut. Auch kleinere Brand und Schnittwunden konnte sie sehen.

Jarod hatte ihre Reaktion bemerkt und schaute verlegen auf den Fußboden.

Sie ging um das Bett herum und betrachtete ihn von vorne. Auch hier bot sich fast das gleiche Bild. Außerdem gesellte sich eine ziemlich schmerzhaft aussehende, dunkel violette Beule über seinem rechten Brustkorb hinzu, die darauf hindeutete, daß eine oder mehrere Rippen angeknackst, vielleicht sogar gebrochen waren.

Immer noch starrte er auf den Fußboden.

"Jarod..." hauchte sie. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte.

Zögernd legte sie ihm die Hand auf die Schulter. Was hatte sie gedacht? Sie hatte ihn 4 Jahre lang gejagt und versucht, ihn ins Center zurück zu bringen. Sie hatte nie darüber nachgedacht, was hier mit ihm geschehen würde. Er hatte so oft gesagt, daß er nie wieder für das Center arbeiten würde... Hatte sie angenommen, daß das Center das so einfach akzeptieren würde...? Broots hatte ihr erzählt, daß Lyle schon mal versucht hatte, Jarod zu brechen... Sie hatte es verdrängt... Nun sah sie es mit eigenen Augen.

Jarod schloß die Augen. Dann hob er den Kopf und sah sie an... und sah eine Träne, die sich aus ihrem Auge stahl und langsam die Wange herunter lief.

'Es tut mir leid.' Wollte sie sagen. 'Es tut mir so leid!' Doch kein Wort kam über ihre Lippen.

Jarods Blick änderte sich. Er schaute sie sanft an, als wollte er sie trösten... als wollte er ihr sagen, daß alles ok war... daß er nicht ihr die Schuld gab... daß er froh war, daß sie jetzt hier war...

Und Miss Parker verstand ihn irgendwie...

Langsam hob er die rechte Hand und wischte ihr mit dem Rücken des Zeigefingers vorsichtig die Träne vom Gesicht. Dann drehte er seine Hand und legte die Handfläche auf ihre Wange... so wie sie es getan hatte in der kleinen Zellen.

Er wäre vermutlich liebend gern eine Weile so sitzen geblieben und hätte darauf gewartet, was sie tat oder sagte, doch es kam nicht so. Wieder packte ihn ein starker Husten und schüttelte seinen Körper, daß Miss Parker fast Angst hatte, daß er vom Bett fiel. Er stützte sich mit den Armen auf der Bettkante ab und krallte verzweifelt die Hände ins Bettlaken. Der Husten war so mächtig und lang anhaltend, daß er beinahe wieder das Gefühl bekam, zu ersticken. Er bekam zwischen den einzelnen Attacken gerade mal genug Luft, um nicht blau anzulaufen.

Miss Parker fühlte sich grauenvoll, daß sie nur daneben stehen und ihm nicht helfen konnte.

Schließlich ließ der Husten nach und Jarod sackte erschöpft in sich zusammen und ließ den Kopf hängen.

"Geht's wieder?" fragte sie besorgt und Jarod nickte mit dem Kopf. "Na los!... Dann zieh dir endlich den Pyjama an und leg dich ins Bett!"

Jarod mußte trotz seiner elenden Lage über ihren gebieterischen Tonfall grinsen...doch sie konnte es nicht sehen, da er immer noch den Kopf gesenkt hielt. Wer hätte gedachte, daß er mal SO einen Befehl von ihr bekommen würde. Er war sicher, daß es viele Männer gab, die ihr Leben lang davon träumen. Normalerweise hätte er ihr jetzt sicher eine entsprechende Bemerkung gegeben, aber er verkniff es sich. Sein Gehirn arbeitete eh im Moment nur auf Sparflamme und er wollte sich nicht mit ihr auf ein Rededuell einlassen.

Statt dessen beschränkte er sich darauf den Kopf zu heben und "Ja, Ma'am!" zu sagen wie ein braver Soldat.

Doch Miss Parker entging natürlich nicht der verschmitzte Zug um den Mundwinkel und das schelmische Leuchten in seinen Augen. Sie hatte sich selbst nach ihrem `Befehl` auf die Zunge gebissen... Aber irgendwie tat es doch gut zu sehen, daß in diesem zerschundenen Körper immer noch der selbe Jarod steckte. Also hatte Lyle sein Ziel, aus ihm eine willenlose Marionette des Centers zu machen, noch nicht erreicht!

Sie drehte sich wieder um und ging im Raum umher. Erst als sie hörte, wie die Matratze leise quietschend unter ihm nachgab, ging sie zurück zum Bett.

Jarod gab ein zufriedenes Stöhnen von sich, als sein Kopf das weiche Kissen berührte und schloß die Augen. Hätte ihm jemand vor einigen Wochen gesagt, daß er mal überglücklich sein würde in seinem alten, verhaßten Zimmer im Center zu sein, dann hätte er ihn wahrscheinlich für verrückt erklärt. Doch jetzt war alles, was er wollte, nur noch dieses Bett und eine Woche lang schlafen. Betrachtete man die Tatsache, daß er nach dem Aufwachen vermutlich wieder in Lyle's sadistisch grinsendes Gesicht sah, so hatte er auch nichts dagegen, ewig zu schlafen. Einfach einschlafen und nicht mehr aufwachen...

Doch seine Pläne wurden durch ein zaghaftes Klopfen unterbrochen.

Miss Parker ging zur Tür und öffnete sie, die rechte Hand hinter ihrem Rücken an der Waffe. Doch sie ließ sie schnell sinken, als sie den Mann hinter der Tür erkannte.

"Kommen sie rein, Doktor. Ihr Patient liegt da drüben."

Der Arzt trat zaghaft ins Zimmer und schaute erst Jarod und dann Miss Parker mit einem verwirrten und fragenden Blick an. Obwohl Sam ihm grob geschildert hatte, worum es ging, konnte er es wohl doch nicht so recht glauben.

Miss Parker warf ihm einen ihrer `mach-dich-an-die-Arbeit-sonst-helf-ich-nach - Blick` zu und überzeugte ihn so ziemlich schnell davon, daß er wohl besser nicht nur dumm rumstehen sollte. Also wandte er seine Aufmerksamkeit wieder seinem Patienten zu. Er setzte sich auf die Bettkante und begann mit seiner Untersuchung. Dann half er Jarod beim Aufsetzen und bat ihn, sein Oberteil auszuziehen. Es sagte zwar nichts über die vielen Verletzungen, aber im Stillen schauderte es ihm. Er hatte Mr. Lyle noch nie gemocht. Seit der ersten Begegnung mit ihm hatte er Angst vor diesem Mann. Aber er war sehr mächtig im Center und dem Arzt würde es nicht im Traum einfallen, etwas gegen ihn oder seine ´Arbeit´ zu sagen.

Er horchte Jarod lange und gründlich ab, was durch einige Husten-Anfälle erschwert wurde. Dann untersuchte er die Verletzung an der Rippe. Nachdem er sie sich sehr genau angesehen hatte, kramte er in der Tasche, die er mitgebracht hatte und holte ein Fieberthermometer heraus. Jarod legte sich wieder hin und steckte es in den Mund. Dann schloß er erschöpft die Augen. Nach kurzer Zeit piepste das Thermometer und er gab es dem Arzt zurück. Der laß die Temperatur ab, brummte etwas vor sich hin und stand wieder auf.

"Nun... Er hat eine Lungenentzündung, Wie schwer, kann ich ohne weitere Hilfsmittel nicht sagen, aber das ist kein einfacher kleiner Husten! Das Fieber ist sehr hoch, 40,3°C, dagegen müssen wir was machen. Und außer den... ähm offensichtlichen oberflächlichen Verletzung, die alle durch... *räusper*... äußere Gewalteinwirkung entstanden sind..." Miss Parker mußte über seine verlegene Umschreibung grinsen, "hat er höchst wahrscheinlich eine oder mehrer gebrochene Rippen. Außerdem scheint er an Unterernährung, Vitaminmangel und Dehydratation zu leiden..."

Auf eine fragend erhobene Augenbraue von Miss Parker ergänzte er schnell: "Ähm...Flüssigkeitsmangel."

Miss Parker nickte. "Gut, das meiste hab ich mir selbst so zusammengereimt, dafür brauch ich keinen Doktortitel. Also, wie geht's weiter?"

Da der Arzt noch nie mit Miss Parker zusammengearbeitet hatte, war er über ihre gereizte Art sehr verunsichert. "Ähm.... Es besteht wohl nicht die Option, ihn auf die Krankenstation zu verlegen, damit wir ihn dort adäquat versorgen..."

"Nein!" Die Antwort war knapp und klar. Miss Parker war sich absolut sicher, daß NIEMAND aus der oberen Etage es gutheißen würde, Jarod auf die `relativ` ungesicherte Krankenstation zu verlegen, nachdem sie ihn aus Lyles Hochsicherheitszelle rausgeholt hatte...Das war zu gefährlich. Außerdem hatte sie hier unten mehr das Gefühl, die Situation unter Kontrolle zu haben. UND es wußte bis jetzt noch niemand etwas von Jarods kleinem Umzug - zumindest hoffte sie das... Dadurch hatte sie vielleicht die Chance zuerst mit ihrem Vater zu sprechen, bevor Lyle die Möglichkeit dazu hatte. Vielleicht konnte sie ihn ja überzeugen, Jarod hier zu lassen und... nun ja, ihn vielleicht wieder in Sydney's Obhut zu übergeben.

"Tja..." der arme Arzt versuchte schnell umzudenken, "O.k. Ich könnte das mobile Röntgen-Gerät hier nach unten holen, um eine Aufnahme von seinem Brustkorb zu machen. Das ist zwar nicht so optimal wie das normale Standgerät..."

"Tun sie das!"

"Gut... Nun, ich denke, wenn wir alles notwendige hier runter bringen, müßte es auch gehen. Infusionsständer und so..." er nickte, "Dann mache ich demnächst also auch `Haus-Besuche`"

Sein Grinsen über den, wie er dachte gelungenen Scherz quittierte Miss Parker nur mit einem kühlen Blick.

"Schaffen sie alles hier runter. Möglichst unauffällig. Ich will nicht, daß gleich das ganze Center Bescheid weiß, daß er hier ist. Ist das klar?"
Der Arzt nickte und verließ den Raum.

Miss Parker seufzte und wandte sich wieder Jarod zu. Überrascht stellte sie fest, daß er bereits tief und fest schlief.

‚Na ja, vermutlich ist schlafen jetzt das Beste für ihn.' dachte Miss Parker.

Allerdings sah es nicht so aus, als hätte er schöne Träume. Er drehte den Kopf von einer Seite zur anderen und kniff immer wieder die Augen zu. Schweißperlen rannen ihm das Gesicht runter.

Miss Parker zögerte kurz, dann ging sie ins Badezimmer. Sie nahm ein Schüssel aus dem Schränkchen und füllte sie mit kaltem Wasser. Auf dem Weg zurück schnappte sie sich noch zwei kleinere Handtücher und warf sie sich über die Schulter. Sie setzte die Schüssel auf den Nachttisch neben Jarods Bett und tunkte eines der Handtücher hinein. Dann faltete sie es und legte es auf Jarods Stirn. Seine Haut war wirklich unglaublich heiß. Schon nach wenigen Augenblicken konnte sie die Hitze durch das inzwischen nicht mehr sehr kalte Tuch spüren. Also nahm sie es wieder weg und tauchte es erneut in die kalte Flüssigkeit. Diesmal legte sie es ihm nicht einfach auf die Stirn, sondern tupfte seine Stirn und Wangen ab.

Er öffnete wieder die Augen und schaute sie traurig an. "Sie... sie müssen das nicht machen, wenn sie..."

"Wenn ich etwas machen MÜSSTE," unterbrach sie ihn mit nachdrücklicher, aber sanfter Stimme, "was ich nicht WOLLTE, dann würde ich es auch nicht machen."

Jarod schaute sie überrascht an. "Warum...?" begann er doch sie unterbrach ihn wieder

"*Sch* Mußt du denn immer fragen? Warum machst du nicht einfach die Augen zu und versuchst ein wenig zu schlafen."

Diesem Vorschlag kam Jarods Körper fast ohne zutun seines Gehirns nach.

"Und versuch, von etwas anderem als von Lyle zu träumen." flüsterte sie.

Verwundert öffnete er wieder die Augen und sah überrascht, daß sie ihn anlächelte.

"Ich meine, es gibt doch bestimmt bessere Dinge, von denen man träumen kann, oder?" fragte sie mit einem Zwinkern und drehte sich um, um das Handtuch wieder in das kalte Wasser zu tauchen.

Jarod schaute sie noch immer an, als sie ihm den kalten Umschlag wieder auf die Stirn legte. Erst als sie in Schullehrer-Manier den Finger hob, schloß er die Augen und beschloß, von ihr zu träumen... von ihrem Gesicht, als sie ihn angelächelt hatte...

Miss Parker merkte bald, daß Jarod wirklich eingeschlafen war. Wieder legte sie einen neue kühlen Umschlag auf seine Stirn und ertappte sich selbst dabei, daß sie gedankenverloren in sein Gesicht starrte. Entsetzt über sich selbst stand sie auf und ging im Raum umher. Da spürte sie ihr Handy in der Jacke vibrieren. Sie war froh, daß sie es heute morgen lautlos gestellt hatte, sonst hätte sie Jarod bestimmt wieder aufgeweckt.

"Parker!" meldete sie sich so forsch und trotzdem so leise es ging und wurde im nächsten Moment blaß.

"Ja Daddy! Ja... ja das stimmt, ich hab... Warte, laß mich doch erst mal erklären... Nein! Ich... Aber Daddy!... Natürlich... Ich komme sofort." sie ließ den Arm sinken und schloß die Augen. Das war's. Ihre einzige Chance, ihren Vater rechtzeitig zu erwischen war dahin. Lyle hatte erst die leere Zelle und dann seinen eingeschüchterten Sweeper gefunden und von ihm alles erfahren... Es war ein Wunder, daß er nicht sofort angestürmt gekommen war und seinen entführten Gefangenen persönlich wieder in Gewahrsam genommen hatte. Statt dessen war er sofort zu ihrem Vater gelaufen. Und nach dessen Stimme zu urteilen, war der mit den Extratouren seiner Tochter überhaupt nicht einverstanden! Was sollte sie jetzt tun? Nun, sie hatte keine große Wahl. Sie mußte sich in die Höhle des Löwen begeben und sich dem Problem stellen.

Sie schaute noch einmal auf den schlafenden Jarod, dann verließ sie den Raum.
Vor der Tür hatte Sam Posten bezogen, obwohl sie ihm gar nicht den Befehl dazu gegeben hatte. Sie nickte ihm zu und marschierte zu den Aufzügen.

... Fortsetzung folgt





An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Nicolette, daß sie mir die Möglichkeit gegeben hat, meine Story in ihrem Archiv zu veröffentlichen.
(immer stehts zu diensten ;-) nic)

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Dies ist mein erstes FanFic und ich bin für jede Art von Feedback dankbar. Schreibt mir, ob es euch gefallen hat oder was ich besser machen soll. ;-)









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