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Die meisten Figuren dieser Geschichte gehören nicht mir, wem auch immer,mir nicht! Die anderen, die mir gehören, gehören mir ganz allein! DieseGeschichte wurde geschrieben, weil ich gerne schreibe, nicht weil ich damit Geld verdienen will!



Die vergessene Akte
Teil 8
von Dara





"Sehen Sie sich das an, Sydney!”

Miss Parker zeigte dem Psychiater ein Photo. Lyle hatte es ihr gegeben.

"Ist das Sam?”

"Sam mit Bobby! Syd, er ist eigenartig. Er klang richtig nett!” Sie spuckte das Wort fast aus, so schwer kam es über ihre Lippen.

"Das klingt interessant!” murmelte Sydney.

Broots blickte über seine Schulter und betrachtete das Bild: "Sie sehen so aus, als wären sie ganz normale Kinder, die einen Streich aushecken!” meinte er. Dann wandte er sich wieder seinem Computer zu. Zur Zeit gab es ziemlich viele Veränderungen im Centre: Lyles Verhalten, Miss Parkers Sinneswandel, Angelo. Broots fühlte sich unwohl, doch er wußte nicht, weshalb. Er fürchtete sich vor dem Tag, an dem das Triumvirat oder Mister Parker diese Veränderungen erkennen würden. Das dürfte ziemlich unangenehm werden. Broots rief sich zur Besinnung; er grübelte mal wieder zuviel. Er sollte doch nach Jarod suchen. Als ob das so einfach wäre: Jarod fand man nur, wenn Jarod sich finden lassen wollte! Broots durchsuchte den Speicher noch mal nach irgendeinem Hinweis ab, dann stutzte er.

"Was ist denn das für ein Programm?” fragte er laut. Miss Parker sah ihn an.

"Was ist los, Broots?”

"Hier ist ein Programm aktiv, aber ich kann nicht erkennen, welche Funktion es hat.”

Seine beiden Vorgesetzten kamen näher.

"Können Sie die Programmierung entschlüsseln?”

"Es ist ein ziemlich einfach strukturiertes Programm, eine alte Programmiersprache.” Er öffnete die Datei im Programmiercode. "Oo, da hat jemand ein Schnüffelprogramm geschrieben!” Broots versuchte den Sinn hinter den Befehlen zu entdecken.

"Und was erschnüffelt es?” fragte Miss Parker neugierig.

"Ich bin mir nicht sicher: anscheinend kontrolliert es jede Datei auf Inhalt und schickt eine Kurzzusammenfassung zu einer bestimmten Adresse, und wenn ein Befehl eingegeben wird, schickt es die gesamte Datei zu dieser Adresse und speichert es dort.”

Er versuchte, etwas einzugeben. Eine Fehlermeldung erschien und sein Computer schaltete sich ab. "Doch nicht so simpel, wie ich gedacht habe!” murmelte Broots. Er war entschlossen, diese Datei zu knacken.

"Ich möchte wissen, welche Adresse das ist, Broots! Und keine Informationen an jemand anderen!” Miss Parker kniff kurz die Augen zusammen.

"Wo wollen Sie jetzt hin?” fragte Sydney. Er beobachte sie sehr genau.

"Nach Hause, ich brauche ein wenig Schlaf!” sie streckte sich . "Broots, das können Sie auch morgen machen, Debbie wartet sicher schon!” Sie legte ihre Hand auf Broots' Schulter. Der Techniker sah sie ungläubig an. Große Veränderungen!

"Sydney?” Parker gähnte unauffällig, "Können wir uns mal unterhalten?”

"Natürlich Parker!”

"Ich lade Sie zum Dinner ein!” Sie sah ihn bittend an.

"Gerne. Wollen Sie kochen?”

"Nein! Ich wollte anständig essen gehen!” lachte sie auf. Sie ging mit ihm zum Wagen.

Als sie losfuhren, sah Sydney sie fragend an: "Also, worüber wollten Sie mit mir reden?”

Sie schüttelte den Kopf und deutete auf ihr Ohr. Laut meinte sie: "Sie hatten mir doch mal ein Gespräch angeboten und ich würde es heute annehmen.” Sydney runzelte die Stirn; es mußte sehr wichtig für Parker sein, und es mußte privater Natur sein. Nichts, was das Centre anging. Er lehnte sich zurück und wartete.

"Von hier aus müssen wir noch ein Stück gehen, aber es ist nicht sehr weit!” Parker hakte sich bei ihm unter.

"Also Miss Parker, was wollen Sie mit mir bereden?”

"Nichts Spezielles, nur ein angenehmes Gespräch, ohne Lügen, ohne Schauspielerei.” Sie lächelte sanft. Dieses Lächeln kannte er nur zu gut von Miss Parker, als junges Mädchen voller Vertrauen und Liebe. Er hatte es schon seit Jahren nicht mehr so offen gesehen.

"Fühlen Sie sich wohl?” fragte er.

Sie holte tief Luft: "Ja, mir geht es gut!” Sie hörte in sich hinein. Ihr ging es wirklich gut. Sie hatte mit Sam über den Tod von Thomas gesprochen und über ihren Vater, über die Kindheit. Es hatte ihr gut getan, sie hatte sich zum erstenmal wirklich damit auseinandergesetzt. "Ich werde sie vermissen, Syd!” sagte sie dann auch.

"Ich gehe doch nicht weg!”

"Ich meinte auch Sam!” lachte sie. Sydney versuchte, sein neutrales Gesicht beizubehalten, doch das Geständnis überraschte ihn doch sehr. Er lächelte.

"Sie haben sich gut mit ihr verstanden.” Keine Frage, eine Feststellung.

"Sie beobachten wirklich gut, Sydney. Sie sehen wahrscheinlich mehr, als Sie jemals zugeben würden. Wir haben uns unterhalten. Sie hält nicht viel von Zurückhaltung, wenn sie etwas wissen will. Ich hab ihr von Thomas erzählt.”

Nun war Sydneys Überraschung perfekt. "Wirklich? Das ist gut, Miss Parker.”

"Sie sind nicht böse, das ich mich nicht Ihnen anvertraut habe?” Sie sah ihn fragend an. Er mußte zugeben, ein kleiner Stich war das schon, aber es war offensichtlich, daß Miss Parker darüber niemals mit ihm gesprochen hätte.

"Nun, ich… ich bin nicht von Bedeutung bei dieser Sache, es ist Ihr Leben, nicht meines!”

"Ich habe ihn geliebt, Sydney. Wirklich, er war.. er hat mich aus meiner Zelle befreit.” Er sagte nichts, er hörte nur aufmerksam zu. Sie mußte ihm wirklich sehr vertrauen, wenn sie ihm das erzählte. Ihm wurde warm ums Herz. "Aber wissen Sie, was mich etwas irritiert?” Sie sah ihn an.

"Was?”

"Sein Tod – ich hatte es fast vorausgesehen, ein Gefühl. Ich war mir sicher, sie würden etwas tun, um mich ans Centre zu binden. Und – obwohl ich diese Ahnung hatte, habe ich es nicht verhindert.”

"Sie dürfen sich nicht die Schuld für seinen Tod geben.”

"Das tue ich nicht – sie verstummte eine Sekunde – vielleicht tue ich es doch ein bißchen. Aber ich weiß, daß das Centre ihn getötet hat.” Sie verzog ihren Mund abfällig. "Sie hatten mich doch gefragt, wem ich traue?” Syd sah sie fragend an. "Ich traue Ihnen, Syd, mehr als meinem Vater. Also wenn ich ehrlich sein soll, ich traue meinem Vater nicht ein bißchen.” Sie überlegte kurz. Sydney freute sich über dieses Geständnis. Wenn er sich doch nur sicher sein könnte, daß Jarod ihm vertraute, daß er ihm verzieh. "Und das Eigenartigste ist… Wenn Sie das weitererzählen, muß ich Sie erschießen, Syd! Ich vertraue…” Sie stoppte vor der Tür des kleinen Restaurants, als ob sie es sich anders überlegt hätte. Doch dann fuhr sie fort. "Ich vertraue Jarod!” Sie sah ihm direkt in die Augen. Sydney wußte nicht, was er sagen sollte. Er lächelte nur. "Ach, kommen Sie, lassen Sie uns was essen!” Miss Parker zog ihn in das Restaurant, bevor er etwas antworten konnte.

***

"In 10 Minuten sind wir da!” Sam trommelte mit ihren Fingern auf dem Lenkrad.

Jarod schreckte aus seinem Dämmerzustand auf. "10 Minuten?” gähnte er. Er griff nach dem Handy und wählte eine Nummer.

Sam sah ihn ungläubig an: "Wen rufst du denn jetzt an?” Er legte den Finger auf den Mund. Eine verschlafene Stimme meldete sich: "WAS?”

"Parker, habe ich Sie geweckt?”

Sam grinste, diese unschuldige Miene war einfach köstlich.

"Nun, ein normal denkender Mensch könnte auf die Idee kommen, daß Leute um 3 Uhr morgens in der Tat schlafen!” kam eine gereizte Antwort. Jarod stellte sich Miss Parker vor, mit halbverschlafenen Augen und im Pyjama. Nein, er sollte sich konzentrieren. "Es tut mir wirklich leid, ich wollte mich nur erkundigen, wie Daddy die Nachricht aufgenommen hat.”

Miss Parker war längst nicht so verschlafen, wie sie sich stellte. Sie hatte auf diesen Anruf gewartet; sie lächelte. "Och, ich weiß nicht, ich habe gestern früher Feierabend gemacht.”

Jarod stutzte: "Wo doch die Laborratte in Blue Cove war?”

"Oh, jetzt weiß ich, was ich vergessen habe, in meinem Bericht zu erwähnen!”

Jarod grinste: "Sie haben Daddy nichts von unserem kleinen Treffen erzählt?”

"Ich gehe mal davon aus, daß er es sowieso schon wußte!” sagte sie. Allmählich machte ihr dieses Spiel Spaß. Sie schlich mit nackten Füssen runter in ihre Küche. "Jarod, wegen dir kriege ich noch eine Erkältung.”

Jarod stutzte, sie hatte ihn eben geduzt. "Dann solltest du nicht mitten in der Nacht durch das Haus streifen.”

"Wenn man mich mitten aus den schönsten Träumen reißt, muß man auch damit rechnen, daß ich durstig werde.”

"Keinen Scotch mitten in der Nacht, Parker!”

"Wer will mir das verbieten?” Sie nahm ihr Glas und tat geräuschvoll einige Eiswürfel hinein.

"Du solltest wirklich nicht soviel trinken..” Jarod war besorgt.

Sie verkniff sich ein Lächeln und schlürfte genußvoll ihren Orangensaft. "Ich brauch etwas zur Beruhigung!” Ihr entfuhr doch ein Kichern.

Nun war Jarod wirklich überrascht. Nachdenklich schaute er aufs Handy. Hatte Parker eben gelacht? "Parker, was tust du da gerade?”

"Gute Nacht, Jarod!” sie legte auf und grinste zufrieden. Sie schloß die Augen und stellte sich Jarod vor. Sam hatte recht, diese Spielchen machten Spaß.

"Und sich über mein Telefonat mit Lyle aufregen!” Sam grinste anzüglich. Sie hielt vor einer Hütte an. Der Truck stand in einer Scheune daneben. Die Kinder stürmten ihnen entgegen. "Gott, ich bin saumüde, ich schlafe gleich ein,” stöhnte Sam. Sie umarmte Kay und Jack. Jay stand daneben und beobachtete sie. Als Sam Jack losließ, umarmte sie ihn auch. "Gut, euch wiederzusehen.” Jay zögerte erst, bevor er die Umarmung erwiderte. Jarod lächelte ihn aufmunternd an. "Ich leg mich erst mal schlafen!” Sam löste sich aus der Umarmung und schlurfte zur Hütte. Jay sah ihr hinterher. Kay und Jack hatten Jarod in Beschlag genommen.

"Jay, komm her, Jarod erzählt uns, was passiert ist!”

***

"Ein Glück, ihr seid hier; viel länger hätte ich das nicht durchgestanden.” Major Charles stand in der Tür und hielt eine dampfende Tasse Kaffee in der Hand. Er hatte die Begrüßung beobachtet.

Sam lächelte, als sie ihm entgegen kam. "Anstrengend, was?”

Major Charles runzelte die Stirn. "Anstrengend ist gar kein Ausdruck, die drei fragen einem Löcher in den Bauch, und ich habe von der Hälfte der Themen keine Ahnung.”

Sam nickte nachdenklich: "Sie brauchen eigentlich jemanden, der Erfahrung mit Pretendern hat. Nur ein Pretender kann einen Pretender erziehen.”

"Ich glaube nicht, daß Jarod glücklich dabei wäre, sich nur auf Jay zu konzentrieren. Wenn er den Menschen nicht mehr helfen kann…” Major Charles schüttelte den Kopf. "Aye, das dürfte schwierig werden. Ich persönlich habe die letzten 8 Jahre so zugebracht, bin immer wieder umhergezogen…”

Sam nahm dem älteren Mann die Tasse aus der Hand und nahm einen Schluck. "Aber ein Mentor…” Sie überlegte laut. Als sie das bemerkte, verstummte sie. Major Charles sah zu, wie sie ins Innere des Hauses verschwand. Etwas ging in ihr vor. Sie hatte den gleichen Gesichtausdruck wie Jay, wenn er was ausheckte.

"Dad, alles in Ordnung?” Jarod kam mit den 3 Kindern im Schlepptau zur Tür.

"So lange das Centre nicht weiß, wo wir sind…” Er schauderte kurz; er hatte seine Familie und sein Leben an das Centre verloren.

"Das werden wir gleich checken.” Die beiden Jungs liefen an ihnen vorbei ins Haus. Sekunden später konnte man sie in der Küche rumoren hören.

Kay klopfte sich grinsend auf den Magen: "Fütterung der Raubtiere!” Sie folgte den Jungs langsam.

Jarod sah seinen Vater fragend an: "Was ist los?”

"Es ist wie bei einer echten Familie, deine Mutter wäre so …” Major Charles zuckte mit den Schultern. Er vermißte seine Frau und seine Tochter. Jarods Gesicht verzog sich schmerzlich.

"Wir werden sie finden, ich verspreche es!” sagte er leise und legte zögernd eine Hand auf die Schulter des Majors.

***

Sie gähnte laut auf und streckte ihre Arme weit von sich. Sie reckte sich. Sie glitt in ihre Pantoffeln und schlich sich leise aus dem Zimmer. Im Haus war es still, nur der Wind, der gegen die Fensterscheiben drückte, war zu hören. Sie knipste das Licht in der Küche an.

"Herrgott Jarod, was sitzt du denn hier im Dunkeln?"

"Ich wollte niemanden wecken." Er drehte die Tasse Tee langsam in seinen Händen.

"Kannst du nicht schlafen? Die Probleme hab ich auch manchmal!" Sam setzte sich neben ihn und sah ihn an. "Was schwirrt dir im Kopf umher?"

"Ich muß den Leuten doch helfen, ich sollte gar nicht hier sein." Er deutete zu einem kleinen, roten Notizblock. Sam runzelte die Stirn.

"Du bist nicht Superman, du kannst nicht überall sein. Und außerdem kannst du doch jederzeit wieder los!"

Er schüttelte den Kopf: "Ich kann doch Jay nicht allein lassen."

"Er ist nicht allein, er hat 2 Freunde, einen Großvater, und ich bin ja auch noch da!" Sam schüttelte ungeduldig den Kopf. "Ich weiß wirklich nicht, warum du es so kompliziert machen mußt. Geh, tue was du tun mußt und dann sehen wir weiter."

Jarod sah sie nachdenklich an: "Denkst du bei deinen Handlungen nie an andere?"

"Selten!" Sam schürzte die Lippen, "Ich denke an Kay und Jack, aber ich kann sie nicht hundertprozentig beschützen. Der beste Schutz ist, ihnen zu zeigen, von wo und von wem Gefahr droht und wie sie sich selbst schützen können. Du kannst sie nicht jede Sekunde in den Augen behalten, nicht immer ihre Hand nehmen." Sam gähnte kurz, "Geh und lebe, du hast viel nachzuholen. Ich beschäftige mich mit Jay, solange ich kann. Der nächste Spielzug wird wohl noch eine Weile dauern!" Sie grinste.

Jarod sah sie fragend an: "Der nächste Spielzug?"

"Mit dem Centre. Denkst du, ich habe es mir anders überlegt, nur weil das Centre jetzt weiß, daß ich noch lebe?" Sie schnaufte verächtlich.

"Was hast du vor?" fragte Jarod argwöhnisch. "Nichts Weltbewegendes, ein paar kleine Spielereien." Das Grinsen in ihrem Gesicht schien sich einzupflanzen.

***

"Bobby, was tust du hier? Du könntest erwischt werden!" Sie winkte ihn zu sich. Ihr Haar wehte. Er versuchte zu antworten, doch es kamen keine Worte heraus. Eine andere Stimme kam aus dem Hintergrund.

"Du mußt sie töten, sie gefährdet die Kontrolle!" Er sah sie verzweifelt an. Ihr weißes Nachthemd war so dünn, sie würde sich erkälten. Er ging einen Schritt auf sie zu. Sie wich zurück, ihre Augen starr auf ihn gerichtet.

"Woher weiß ich, daß du es bist?" Hinter ihr trat eine Gestalt aus den Schatten, ein Mann mit seinem Gesicht. Er lächelte ihn teuflisch an. Noch ein Schritt. Der Andere war schneller, er hielt sie fest. Sie war jetzt älter, aber immer noch wehte ihr langes Haar, und das weiße Nachthemd flatterte im Wind. Der Andere hielt sie fest, ein Messer an ihrem Hals. Er stoppte voller Panik, er durfte ihr nicht weh tun.

"Ich werde sie töten, damit wir die volle Gewalt haben!" Der Andere strich mit der anderen Hand über ihre Brust.

"Das darfst du nicht!" Endlich konnte er reden.

"Ich muß, Raines hat gesagt, alles, was du liebst, muß weg!" Seine Hände strichen über ihren Bauch. Sie wehrte sich nicht, sah ihn nur an. Diese grünen Augen!

"Du mußt dich entscheiden, Bobby. Wer bist du? Du mußt diese Simulation beenden, Bobby. Du hast dich verloren!"

Der Andere lachte höhnisch. "Hör auf damit, sie gehört mir!"

"Wir müssen sie töten, Bobby, sonst verlieren wir die Kontrolle und dann tun sie uns weh!"

"Nein, wir töten sie nicht." Der Andere funkelte mit den Augen und er drückte das Messer fester an ihren Hals.

"Ich sagte, hör auf!"

"Oder was?" Der Andere lachte herausfordernd. Eine kleine Linie Blut lief an ihrem Hals entlang.

"Mein Name ist Bobby, ich bin ein Pretender. Du bist Eduard Lyle Pioro. Du hast im Jahre 1943 in Hongkong gelebt, Du hast 15 Frauen gefoltert und umgebracht!"

"Hör auf!" Der Andere schrie unter Schmerzen, sein Gesicht veränderte sich, er wurde älter, die Haare veränderten die Farbe. Seine Gestalt krümmte sich. "Du tötest mich!"

"Ich bin Bobby, ich bin ein Pretender, ich habe mich in dich hineinversetzt, ich will diese Simulation abbrechen, ich bin Bobby, ich bin ein Pretender." Der Andere schrie lauter und lauter. Sie stand am Rande und starrte auf ihn herab. Ihr Lächeln war warm, ihre Haare wehten im Wind.

***

Lyle schreckte auf. Er atmete tief ein. Ein Traum. Er hatte einen trockenen Mund. Langsam rutschte er vom Bett und ging ins Bad. Er ließ das Wasser laufen und trank gierig. Schließlich wusch er sich noch das Gesicht mit dem kalten Wasser. Als er nach dem Handtuch griff und sich abtrocknen wollte, fiel sein Blick auf den Spiegel. Eine Weile verharrte er im Schock.

"Mein Name ist Bobby, ich bin ein Pretender!" murmelte er lautlos. Er starrte in seine Augen. Sein Daumen, der ihm fehlte, begann zu jucken. Er sah fassungslos auf seine Hand. Eine Träne lief über sein Gesicht.

"Mein Name ist Bobby!"

Er schloß seine Augen und atmete tief durch.

***

"Broots!"

Ms. Parker kam mit energischen Schritten auf den Techniker zugelaufen.

"Miss Parker?"

"Ich brauche eine kleine Unterstützung!" Sie zog ihn mit sich.

"Was haben Sie vor, Miss Parker?"

"Ich habe einen Hinweis, wo sich diese Sam mal aufgehalten haben könnte und vielleicht gibt es eine Spur, wo sie sich jetzt befindet!"

"Aber wir dürfen doch gar nicht..."

"Mich interessiert nicht, was wir nicht dürfen, Broots. Ich will das jetzt überprüfen!" Miss Parker schüttelte ungeduldig den Kopf.

"Nach was suchen wir eigentlich?"

"Nach sämtlichen Dateien, die interessant sind für mich!" Miss Parker lehnte sich hinter Broots, der nervös auf einen Monitor starrte.

"Aber..."

"Kein Aber, ich will sämtliche Dateien, alles was das Centre verändert hat, gelöscht hat. Ich will alle Daten, die auf diesem Computer sind oder mal waren und ich weiß, daß Sie ein Genie sind, was Computer betrifft!" Sie waren in Miss Parkers Haus; im Wohnzimmer stand dieser alte Computer. Sie hatten ihn aus dem Sublevel 4 herausgeschmuggelt. Ein alter Rechner - Broots vermutete, daß er früher mal als Speicher für das Intranet des Centres fungiert hatte. Warum hatte er diese Vermutung bloß laut ausgesprochen, als sie in SL 4 nach Hinweisen über diese Sam gesucht hatten? Er seufzte laut auf.

"Stöhnen Sie nicht, Broots, Sie machen das schon. Denken Sie doch nur mal, wie schön Sie Raines eins auswischen können." Miss Parker lächelte kalt. Broots mußte grinsen. Oh, er konnte Raines überhaupt nicht ausstehen.

***

"Lyle, melde dich doch bitte mal!" Mister Parker sah auf den Telefonhörer, nachdem er aufgelegt hatte. Mr. Lyle, sein Sohn, war nicht zur Arbeit erschienen, keine Entschuldigung, keine Anforderung von Sweepern, keine Nachricht, nichts. Nur der Anrufbeantworter war an. Natürlich hatte sich dieser machthungrige, junge Mann schon öfters mal die Freiheit genommen, für Tage zu verschwinden. Aber jedesmal mußte man darauf achten, was er plante. Mister Parker spitzte seinen Mund. Lyle wollte seine Macht im Centre aufbauen und schien sich auf Mr. Parkers Sessel zu konzentrieren. Er war gefährlich, aber er war auch gut. Er war centreloyal, loyaler als seine Schwester. Mr. Parker war sich nicht sicher, ob seine Tochter noch unter seiner Kontrolle stand. Nein, sie arbeitete nur hart, sie wollte unbedingt raus aus dem Centre, deshalb konnte man sie so gut manipulieren. Sie würde früher oder später Jarod fangen. Nein, sie war ungefährlich. Lyle war da mehr zu beobachten. Was hatte er vor? Mr. Parker kniff die Augen zusammen und rief einen Sweeper zu sich.

***

Der schwarze Wagen stand 100 Meter hinter einem Baum versteckt; der Fahrer hielt ein Fernglas in der Hand und beobachte das Haus. Lyle schleppte einen großen Sack mit Papier auf den Vorgarten, er schüttete alles zu einem Haufen. Dort lagen schon Kartons, Kleidung, ein kleines Regal und andere Dinge gestapelt. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, holte ein Feuerzeug heraus und zündete den Stapel an. Das Feuer breitete sich schnell aus. Lyle beobachtete die Flammen, die sich ihren Weg durch das Papier fraßen. Er zog seine schwarzen Lederhandschuhe aus und schmiß sie ins Feuer. Der Fahrer im schwarzen Wagen holte ein Handy hervor.









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