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Und nun fang ich an, ach ja, noch immer gilt: Jarod und Co gehören mir nicht, ich verdiene nix an ihnen und auch nicht mit Sam, Kay und Jack...(aber die sind aus meiner Phantasie!). Für jeden der sich fragt, wann das ganze spielen soll: Also Bridgitte ist bereits schwanger, sogar hochschwanger, aber Daddy Parker ist noch im Center, Matumbo nicht tot - keine Revolution in Sicht. Also geht von Mitte 3. Staffel aus und dann ein kleines, nettes Paralleluniversum...




Die vergessene Akte
Teil 18
von Dara







Miss Parkers Sweeper Sam hatte sich bereits dauerhaft vor der Tür zu Angelos Krankenzimmer postiert. Es interessierte ihn nicht wirklich, was seine Chefin nun wieder plante. Je weniger er wußte, desto sicherer war er.

Er stand nun schon drei Stunden vor der Tür, bzw. saß. Der Sweeper von der Nachtschicht hatte sich einen Stuhl besorgt, wahrscheinlich hatte er dafür die Tür verlassen. Er würde wohl mal ein Wörtchen mit diesem Neuling sprechen müssen. Ansonsten war nicht viel passiert.

Es war eine stille Ecke im Centre; die meisten Zellen standen leer, und das einzige Labor in der Nähe war direkt am Aufzug. Nur wenige verirrten sich hierher. Weder Raines noch Mr. Parker waren erschienen oder hatten ihre Sweeper losgeschickt, um Angelo zu holen. Das war gut, denn das deutete darauf hin, daß sie überhaupt nicht wußten, daß er krank war. Sam schnaubte kurz auf: sie verloren die Übersicht; früher wäre ihnen das nicht entgangen. Es wurde Zeit, sich einen Fallschirm zu besorgen...

Es ertönten Schritte im Flur. Sam stand alarmiert auf und griff nach seiner Waffe. Die Schritte waren schnell und gezielt, und sie bewegten sich in seine Richtung. Sam ertastete seine Waffe und entsicherte sie. Der Eindringling bog um die Ecke.

„Hallo Sam, Mr. Lyle meinte, Sie könnten einen Wechsel gebrauchen.“ Michael kam lächelnd auf ihn zu. Sam entspannte sich und sicherte seinen Revolver wieder. Selbst wenn Michael die Alarmbereitschaft des älteren Sweepers aufgefallen war, so er ließ sich nichts anmerken. Er hatte sich ebenfalls einen Stuhl unter den Arm geklemmt gehabt und setzte sich nun.

„Sieht so aus, als hätte ich den hier umsonst mitgebracht!“

Sam nickte kurz und setzte sich ebenfalls wieder hin. „Haben die gesagt, wann sie kommen?“

„Mr. Lyle sagte was von einer Stunde.“

„Und Miss Parker?“

“Die hat nichts weiter gesagt, nur genickt. Sieht so aus, als ob die beiden sich endlich zusammengerauft haben, was?” Sam sah Michael fragend an.

„Nun ja, es war ein offenes Geheimnis, daß sich die beiden gegenseitig so viele Steine wie möglich in den Weg gelegt haben! Und so, wie es aussieht, arbeiten sie jetzt sogar freiwillig zusammen!“ Michael zuckte mit den Schultern.

„So sieht’s aus! Das könnte Ärger in der oberen Etage geben!“

„Oh, das können Sie laut sagen. Willy hat verlauten lassen, daß Raines arg nervös war in letzter Zeit. Bekommt ihm offensichtlich nicht, daß nun zwei Laborratten zusammen draußen sind.“ Michael beugte sich zu Sam vor. „Ich hab gehört, wie Mr. Parker und Brigitte sich unterhalten haben, hörte sich so an, als ob Mrs. Parker zur Entbindung nach Afrika geflogen werden soll. Und Parker sagte etwas, daß seine Kinder keine Informationen darüber bekommen sollen, das würde sie nur unnötig von Wichtigerem ablenken!“

Sam sah Michael an: „Und warum erzählst du mir das?“

„Was?“

„Das mit Mr. Parker!”

„Ich hab kein Wort gesagt, ich sitz hier nur und paß auf, daß keiner in das Zimmer geht!“ Michael grinste kurz und blickte dann auf die Tür, mit der gleichen stoischen Ruhe wie Sam.

Dieser machte sich jedoch so seine Gedanken. Michael war vertrauenswürdig, und er war sein Schüler gewesen; wenn der ihm etwas erzählte, dann nur, um ihm einen Gefallen zu tun. Sam nickte kurz und fragte: „Willst du auch einen Kaffee?“

„Gerne, schwarz wie die Nacht, ohne Zucker!“

**

„Bericht!“ Miss Parker stand zehn Minuten später vor Michael und tippelte ungeduldig mit ihrer Fußspitze.

Michael stand auf und vermied es, in ihre blauen Augen zu starren. „Kein Besuch, alles ruhig.“

„Unser kleines Flaschenmännchen war noch nicht hier?“ Miss Parker zog hörbar die Luft ein und blickte über ihre Schulter zu Bobby. „Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?“

„Keins von beiden würd ich sagen, es bedeutet, die sind zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt!“ Bobby nickte Michael leicht zu, und dieser setzte sich wieder.

„Wo ist Sam?“

„Der holt sich einen Kaffee, Miss Parker!“ Michael stand wieder auf.

„Sagen Sie ihm, ich brauch ihn nachher kurz, er soll hier warten! Wann haben Sie heute angefangen?“ Parker sah ihn abschätzend an.

„Vor drei Stunden, Madam!“

„Gut, Sie werden Sam begleiten, und nennen Sie mich nicht Madam!“ Mit diesen Worten drehte sich Parker um und verschwand hinter der Zellentür. Bobby hatte hinter ihr gestanden und mit den Händen in den Taschen die beiden beobachtet.

„Machen Sie sich nichts draus, sie liebt es Männer runterzuputzen, das ist nichts Persönliches!“ Er legte seine Hand auf Michaels Schulter, nur für eine Sekunde, aber Michael überraschte diese Geste doch.

„Ja Sir, danke Sir!“ Es war eine freundliche Geste. Soweit Michael es beurteilte, war diese Geste ehrlich gemeint. Vielleicht hatte sich sein Chef doch etwas verändert, aber sicherlich nicht zu seinem Nachteil. Michael setzte sich wieder auf den Stuhl und wartete auf Sam.

**
Als Bobby die Zelle betrat, saß Parker bereits am Bettrand und hielt Angelos Hand. Sie sprach leise, doch offensichtlich nicht, weil Angelo immer noch krank war. Denn er war es nicht; zwar schien er noch sehr geschwächt, aber seine Augen waren wieder wach und beobachteten ihn.

Bobby trat einen Schritt von der Tür weg, doch tiefer in den Raum wagte er nicht zu gehen. Noch immer fühlte er sich unwohl in der Nähe des Empathen.

Angelo blickte auf. Seinen Kopf schief zur Seite gelegt, sah er direkt in Bobbys Augen. „Bobby zurück? Lyle tot?“ Es schien, als versuchte er die Veränderungen zu riechen.

Miss Parker lächelte warm. Bobby grinste unglücklich und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein. „Ist alles in Ordnung?“

„Scheint so, er hat kein Fieber mehr.“ Wie zum Beweis setzte sich Angelo auf.

„Angelo helfen.“

***

„Dummdidummdidumm!“ murmelte Sam schläfrig und hieb mit letzter Kraft auf die Entertaste. „Fertig, kann nicht mehr, ich schlaf jetzt ein wenig, danach kann ich dich ja beim Fahren ablösen!“ Jarod sah auf die Straße und nickte kurz.

***

Parker streckte sich. Sie massierte sich ihren Nacken und legte den Bericht beiseite. Wieder ein Bericht mit der Nachricht: Auftragsziel nicht gefaßt. Mittlerweile störte es sie nicht mehr, daß sie es einfach nicht schaffte, Jarod zu schnappen. Es störte sie, diesen Bericht zu schreiben, wöchentlich, täglich. Dieser Bericht ging dann an ihren Vater, der ihn wiederum umformuliert zum Triumvirat schickte, das dann unzufrieden mit ihrer Arbeit war. Parker konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Bald hätten die allen Grund unzufrieden mit ihr zu sein, nützen würde es allerdings nichts mehr.

Es klopfte.

„Herein!“

Sydneys Kopf erschien in der Tür: „Feierabend, Parker. Sie sehen müde aus, fahren Sie nach Hause.“

Schwerfällig erhob sie sich vom Stuhl und packte ihre Sachen: „Das laß ich mir nicht zweimal sagen! Wie geht es Angelo?“

„Ich war vor zwei Stunden bei ihm. Es ging ihm ganz gut, er hatte noch immer leichtes Fieber aber das sollte mit ein bißchen Schlaf wieder verschwinden.“ Parker blickte sich noch einmal prüfend um und trat neben Syd.

„Gut, wir werden morgen nach ihm sehen. Lassen Sie uns von hier verschwinden, wir sollten uns diese Umgebung nicht länger als nötig antun!“

Der Psychiater lächelte nachsichtig. „Parker, und das aus Ihrem Munde!“

„Jeder hat ein Recht auf Meinungswandel!“ Sie lächelte zynisch und ging mit ihm zu den Fahrstühlen.

***

„Johnson!“ Sam d.S. (für die nachfolgenden Kapitel: Sam der Sweeper!) trat einen Schritt vor, als er den jungen Kollegen sah. Dieser kam eilig näher.

„Ja?“ Es war offensichtlich: er war nicht besonders interessiert an einem Gespräch mit dem Sweeper der Icelady. Sam war bekannt dafür, besonders loyal zu der Parker zu sein.

„Ich hatte Ihnen nicht erlaubt, sich von der Zellentür zu entfernen, um sich einen Stuhl zu holen!“ Johnson spürte, daß sein Gegenüber nicht zufrieden mit ihm war, dabei war es doch gar nicht seine Schuld.

„Willy hat mir gesagt, ich solle mir einen Stuhl holen, es würde niemandem gedient sein, wenn ich umkippe wegen zu langem Stehen! Er hat solange für mich Vertretung gemacht!“ verteidigte er sich.

Sams Augen verengten sich: „Willy? Mister Raines Sweeper?“

“Ja Sir, ich war höchstens 10 Minuten weg, und Willy meinte, Sie wüßten Bescheid!“ Der junge Sweeper kam ins Schwitzen. War es vielleicht doch nicht in Ordnung gewesen, hatte Willy ihn angelogen?

„Ist gut, ich werde mit Willy reden. Vergessen Sie’s!“ Sam blieb ruhig. Es war sein Fehler gewesen, einen Neuling damit zu betrauen. Die waren zu leicht zu beeinflussen. Er hatte ihn ja auch ausgewählt, weil die Neulinge keine überflüssigen Fragen stellten und Angst vor den „Alten Hasen“ hatten.

Johnson nickte knapp und verschwand eilig. Sam überlegte kurz und eilte dann zu Miss Parkers Büro.

***

„Aufwachen, Dornröschen! Wir sind da!“ Samantha machte das Licht aus, ließ den Motor allerdings laufen. Jarod schreckte hoch.

„Was ist los?“

„Wir sind da! Sieht so aus, als wäre Engelchen noch arbeiten!“ Sam deutete zum dunklen Haus. Es stand kein Wagen davor.

„Parker arbeitet oft sehr lange!“ Jarod überhörte die spitze Bemerkung auf den väterlichen Kosenamen von Parker.

„Dann laß uns reingehen, ich friere!“ Sam fuhr zwischen ein paar Büsche, drehte den Zündschlüssel um und stieg aus.

„Wir sind hier in Delaware, es ist fast 5°C wärmer als in Kanada! Du kannst gar nicht frieren!“ grinste Jarod.

„Ich friere. Gehen wir vorne oder hinten rein?“ Sam holte sich eine Tasche aus dem Kofferraum und schloß den Wagen zu.

„Vorne. Meinst du, der Wagen steht hier gut?“

„Ich geh mal davon aus, daß man ihn von der Straße aus nicht sehen kann, und auch vom Haus her sieht man nichts, hier sind so viele Büsche. Dürfte eigentlich unauffällig genug sein.“

Jarod prüfte die Blickwinkel und nickte zufrieden. „Ich bin immer die letzte Meile zu Fuß gegangen.“

„Bist du verrückt, ich bin fußlahm!“ Sam kicherte und betrat die Veranda. Sie blickte sich um, während Jarod einen Schlüssel hervorkramte und aufschloß.

„Du hast einen Schlüssel?“ Jarod öffnete die Tür und winkte Sam herein.

„Klar, sooft wie ich hier bin, ist ein Schlüssel doch die einfachste Art.“

„Weiß Parker davon?“

„Bist du verrückt, ich verrate doch nicht meine besten Tricks!“ Die beiden lachten.

Sam sah sich neugierig um. „Schick hier! Ich hab Angelo gebeten, ihr ein kleines Geschenk hierherzubringen. Er meinte, es hat ihr gefallen!“ Jarod sah sie fragend an. Sie zuckte lächelnd die Schultern: „Ich mußte mich doch revanchieren, immerhin hätte sie mir die Flucht vermiesen können, nicht?!“

Jarod nickte kurz und ging schnurstracks zur Küche. Sam folgte ihm. „Sie kocht wohl nicht sehr oft, oder?“ Sam fuhr mit dem Finger über die Theke und hielt ihn prüfend vor die Augen.

„Sie ist eher weniger eine Köchin!“ meinte Jarod, als sie ihm den grauen Finger voller Staub zeigte.

„Eher weniger, wie diplomatisch du dich ausdrückst!“ Sie kicherte und kehrte zur Wohnstube zurück. Mit einem wohligen Seufzer kuschelte sie sich in einen Sessel ein und schloß die Augen.

***

„Mr. Lyle?“ Sam d.S. räusperte sich leicht. Er hatte geklopft und obwohl keine Antwort zu hören war, hatte er die Tür geöffnet. Es brannte Licht, also könnte Parker jun. noch da sein. Er sah sich um und entdeckte den Gesuchten am Schreibtisch.

Bobby sah auf: „Sam? Was ist los?“

„Willy hatte für ca. 10 Minuten ungehinderten Eintritt zu Angelo. Er hat Johnson vertreten und diesen losgeschickt, um einen Stuhl zu holen. Das war während der Nachtschicht.“ Sam stand nun direkt vor dem Schreibtisch, „Es ist meine Schuld, ich hätte...“

Bobby winkte ab: „Keiner hat Schuld, Willy tut alles auf Anweisung von Raines. Wenn Willy vor der Tür stand, war Raines bei Angelo!“ Er stand entschlossen auf und ging forschen Schrittes zur Tür. Sam folgte ihm.

„Wann war meine Schwester oder Dr. Green das letzte Mal da?“ Lyle nahm zwei Stufen auf einmal, er benutzte die Treppe nach oben, es war ja nur ein Level höher.

„Heute nachmittag so gegen 16 Uhr, Dr. Green hat Angelo untersucht.“ Sam zog seine Waffe und entsicherte sie im Laufen.

Bobby sah ihn kurz an: „Glauben Sie, daß das nötig sein wird?“

„Standardsituation: Sei immer vorbereitet.“ Sam zuckte scheinbar teilnahmslos mit den Schultern. Sie bogen in den Flur ein, wo sich Angelos Zelle befand.

Michael saß auf seinem Stuhl und las Zeitung, als er die beiden Männer heraneilen sah. Schnell stand er auf und holte den Schlüssel hervor für die Zelle. „Etwas nicht in Ordnung, Mr. Lyle?“

„Geh zum Mainframe, such die Überwachungsbänder für diesen Flur und Angelos Raum, gestern nacht, heute früh! Überprüfe es auf Korrekturen! Und dann will ich, daß du den gestrigen Weg von Raines und Willy verfolgst, den gesamten Tag, bis er nach Hause gefahren ist!“ Michael nickte und eilte zu den Fahrstühlen. Bobby rief hinter ihm her: „Und schalte die Überwachung für eine halbe Stunde aus!“

Selbst wenn Michael diese Anweisung überraschte, er zögerte nicht. Einer Anweisung vom direkten Vorgesetzten war Gehorsam zu leisten, das war die erste Lektion, die er vom Centre erhalten hatte. Sie sollten ihren Willen kriegen, auch wenn Michael ahnte, daß sein Chef ganz und gar nicht im Sinne des Centres handeln würde, nicht in den nächsten 30 Minuten.

*

Sam blieb vor der Tür stehen und nahm Michaels Platz ein. Er beobachtete Bobby, der in Angelos Zelle verschwand. Auch ihm waren die Veränderungen, die Michael erwähnt hatte, nicht verborgen geblieben. Miss Parkers Reaktionen auf ihren Bruder waren nicht mehr von Ekel und Abscheu begleitet. Dessen Verhalten in bestimmten Situationen entsprach ebenfalls nicht mehr dem Bild, das sich Sam von diesem Mann gemacht hatte. Diese Veränderungen waren nur sehr schwer zu erkennen, nach außen schien alles beim alten, aber sollte jemand die neue, wundersam gute Zusammenarbeit der Parkerzwillinge erkennen, dürfte mit Schwierigkeiten zu rechnen sein, soviel stand fest.

*

Angelo lag auf der Liege. Bobby schaltete das Licht an und ging ein wenig zögernd zu ihm. Schritt für Schritt spürte er, daß etwas nicht stimmte. Die Atmung von Angelo war schnell und flach, er hatte sich wieder in Fötusstellung zusammengeknäult und lag mit dem Gesicht zur Wand.
Bobby steckte die Hand aus und drehte Angelo um.

Angelo hatte Fieber, hohes Fieber, höher noch als vorgestern, als er ihn in der Röhre gefunden hatte. Sein Gesicht war gerötet, und er atmete in kurzen, schwachen Zügen.

Bobby sah genauer hin und beugte sich zu Angelo. Das Gesicht war nicht nur vom Fieber so heiß, er hatte auch rote Flecken, die wie Ausschlag aussahen. Nur zur Kontrolle zog Bobby ein Augenlid hoch. Das Auge war blutunterlaufen. Und Bobby kannte diese Augen, er hatte so was schon mal gesehen, vor einem Jahr in Raines Labor...

Er trat einen Schritt zurück und atmete tief ein. Zufall, es konnte nur Zufall sein, vielleicht war Angelo in Raines Labor geschlüpft und hat was angefaßt, was Falsches, was Kontaminiertes. Doch das war es nicht, er hatte ja die letzten 36 Stunden hier gelegen. Dieses Virus hatte aber nur eine Inkubationszeit von 24 Stunden, einen Gesamtkrankheitsverlauf von 72 Stunden und endete ohne Gegenmittel immer tödlich. Und der bisherige Stamm war nur durch Tröpfcheninfektion übertragbar. Bobby kontrollierte seine Hand. Er hatte keine Verletzungen, gut. Seine Gedanken rasten, er ging im Kopf alle Möglichkeiten durch; am besten wäre es, wenn Angelo hier bliebe. Das Gegenmittel mußte doch irgendwo sein. Broots, er brauchte Broots.

Gerade als Bobby aus der Tür trat, um nach Broots zu schicken, eilte Michael herbei. Er schien außer Atem: „Ich habe ein Gespräch mit Raines gefunden!“ Er hielt eine silberne DSA-Scheibe hoch. „Wenn um zehn Johnsons Schicht wieder anfängt, soll Angelo verlegt werden nach SL 26! Raines hat schon alles mit Willy abgesprochen!“ Er überreichte die Disc.

Bobby zögerte nur kurz und biß sich beim Überlegen in die Wange: „Was ist mit den Kameras?“

Michael grinste kurz: „Ein Stromausfall wegen der Überlastung in diesem Bereich, Sir! Die Kameras auf diesem Level sind vor fünf Minuten ausgefallen. Der Strom wird sich in genau – er schaute auf die Uhr – 15 Minuten so angestaut haben, daß der Hauptgenerator dieses Flügels abgeschaltet wird, der Ersatz hat eine Verzögerung von 4 bis 5 Minuten bevor er anspringt.“

Bobby nickte kurz. Er sah zu Sam: „Sie könnten ein wenig Training gebrauchen, Sie beide werden eine extra Stunde Training einlegen. Gehen Sie!“ Er winkte sie ungeduldig weg.

Sam und Michael setzten sich nur zögernd in Bewegung. Als sie um die Ecke gebogen waren, flüsterte Michael: „Er wird sich erklären müssen, wenn er der letzte war, der bei Angelo gewesen ist.“

Sam nickte und holte sein Handy hervor: „Johnson übernehmen Sie die Zelle, ich wurde abkommandiert! Der Schlüssel liegt unter meiner Kaffeetasse!“ Er unterbrach nach einer knappen Antwort die Verbindung. Michael sah ihn fragend an.

„Er wird in 5 Minuten da sein. Wir beide stehen noch für 2 Minuten vor der Tür. Das ergibt eine Lücke von 3 Minuten.“

„Das dürfte genügen.“ Michael lächelte, „Fehlt nur noch eine kleine Korrektur der Aufzeichnungen von vorhin... ich brauch 15 Minuten!“

Sam nickte kurz: „Ich hatte gestern mit dir Schußtraining!“

„Dann wiederholen wir das doch einfach noch mal!“ Michael verschwand hinter einer Tür zum Technikraum, während Sam in Seelenruhe sein Handy herausholte: „Wir gehen jetzt los, Johnson, Sie finden uns im Schießraum!“

***

Bobby zog sich sein Jackett aus und legte es Angelo über die Schultern. Er versuchte ihn zu tragen, doch dazu war der gleichaltrige Mann zu schwer. „Verdammt, dir schmeckt doch dieser Fraß nicht etwa, den die dir verabreichen, oder?“

Angelo war inzwischen wach geworden und murmelte etwas. Bobby zog ihn mit aller Kraft aus der Zelle und verschwand in die entgegengesetzte Richtung wie die Sweeper. Er schob Angelo in einen Lüftungsraum und stopfte ihn regelrecht in eine Röhre. Nicht nur Angelo kannte einige gute Verstecke, auch er, Bobby, hatte viel Zeit in den Lüftungssystemen des Centres verbracht, zusammen mit Samantha.

Er lag schlecht in der Zeit. Angelo durch die Röhre zu bekommen war schwer, denn der kranke Mann konnte ihm nicht viel helfen. Noch war das Licht an; er konnte es durch ein Lüftungsgitter sehen. Er zog Angelo noch ein Stück und lächelte; er konnte die Tür nach draußen bereits sehen, in der Nähe stand auch sein Auto. Es war ein Notausgang, diese Türen waren normalerweise nicht zu öffnen, nur in Notfällen oder ... bei Stromausfall gab es hier eine gewissen Sicherheitslücke.

Er wartete. Dann flackerten die Lichter kurz und der Flur verdunkelte sich. Man konnte entfernt wütende Rufe hören. Bobby stieß das Gitter beiseite und zerrte Angelo hinaus ins Freie, er suchte nach seinem Autoschlüssel .. „Wo zum Teufel ist... au Scheiße!“ Er fuhr sich durchs Haar, der Schlüssel lag auf seinem Schreibtisch im Büro. Er sah gehetzt zu Angelo, der teilnahmslos neben dem Auto lag.

***

Michael schlüpfte in den Schießraum und nickte Sam zu. Er stülpte sich Kopfhörer über die Ohren und begann zu schießen. Eine Minute später flackerte das Licht kurz. Es war soweit, der Strom im Nachbarflügel war zusammengebrochen. Jetzt war auch die Überwachung wieder auf Echtzeit geschaltet. Er zog sich die Hörer vom Kopf und sah Sam fragend an: „Irgendein Problem?“

Sam zuckte die Schultern und ging dicht gefolgt von Michael auf den Flur. Ein paar Techniker eilten an ihnen vorbei. Sam hielt einen von ihnen an: „Gibt es ein Problem?“

„Der Strom in Trakt neun ist vollständig zusammengebrochen, der Ersatzgenerator scheint auch ein Problem zu haben.“ Mit diesen Worten riß sich der Mann los und rannte seinen Kollegen hinterher.

Sam und Michael sahen sich kurz an und gingen dann ruhig wieder zurück und beendeten ihre Schießübungen.

***

Phhhhh. Johnson lief ein Schauer über den Rücken bei diesem Geräusch. Er war noch nicht lange hier, aber eins wußte er mit Sicherheit: dieser Raines war ihm nicht geheuer. Vor fünf Minuten war der Strom kurzzeitig ausgefallen, aber er war bereits wieder angegangen. Und nun konnte er das Quietschen von Raines Sauerstofflasche hören. Er riß sich zusammen und bereitete gedanklich einen kurzen Bestandsbericht vor.

„Ist alles in Ordnung bei Ihnen?“ krächzte Raines, als er schließlich vor dem jungen Sweeper stand.

„Ja Sir, ich hab Sam vor einer Viertelstunde abgelöst, dann war kurz der Strom weg, aber es war niemand hier, Sir!“ Hätte er jetzt erwähnen sollen, daß er, als er hier angekommen war, die Tür unbewacht vorgefunden hatte? Aber es war höchstens eine Minute gewesen, er hatte ja den Anruf von Sam bekommen, als er grad aus dem Fahrstuhl getreten war. Sam mußte die Treppe genommen haben; sie hatten sich nur kurz verpaßt, da war sicherlich nichts geschehen.

„Gut, Sie werden in SL 1 gebraucht! Willy wird Ihren Platz übernehmen!“

„Ja Sir, soll ich Sam Bescheid geben?“

„Das werde ich dann machen!“ japste Raines und nahm den Schlüssel aus der Hand des jungen Sweepers. Willy trat hinter Johnson und setzte sich auf den Stuhl.

„Na gut, dann geh ich jetzt mal!“ Mit etwas unsicherer Miene ging Johnson wieder zurück zum Fahrstuhl.

***

„Wo ist Mister Lyle?“ Raines schien fast eilig, auch wenn sein Schrittempo stark reduziert war. Michael und Sam, die gerade mit ihrem Schußtraining fertig waren und nun noch ein paar Runden in der Sporthalle machen wollten, zuckten verwundert mit den Schultern. „In seinem Büro nehme ich an, aber er könnte aber auch schon gegangen sein“, meinte Michael.

„Kommen Sie mit, ich hab ein paar Fragen an Sie!“ Raines „eilte“ in Richtung Bürosektion und die beiden Sweeper folgten ihm.

Schließlich hatten sie den Tower mit den Büros der leitenden Angestellten erreicht. Raines inhalierte seinen Sauerstoff und stieß die Tür zu Lyles Büro auf. Das Licht brannte noch.

Sam erinnerte sich, daß Mr. Lyle vergessen hatte, es auszustellen. Michael hatte aber eine Videosequenz benutzt, wo Lyle sein Büro abdunkelte und dann verließ. Und abschloß! Ein Fehler konnte im Centre tödliche Folgen haben. Ein kurzer Blick zu Michael genügte, um zu sehen, daß dieser das gleiche dachte.

„Niemand hier und hell erleuchtet, hat es wohl ziemlich eilig gehabt!“ Raines ging zum Telefon und wählte eine Nummer. „Willy, holen Sie die Überwachungsbänder von Mr. Lyles Büro!“ Gerade als er noch etwas sagen wollte, hörten die drei Männer ein Geräusch im Bad.
Eine Sekunde später öffnete sich die Tür.

„Raines, Sie sollten vorher um Erlaubnis fragen, wenn Sie mein Telefon benutzen. Ich hab es nicht so gerne, wenn ich nicht weiß, wer was wann bei mir telefoniert!“ meinte Bobby kalt. Sein Gesicht war noch naß und er wischte es sich ruhig mit einem Handtuch ab.

Raines musterte ihn für eine Sekunde. „Ich dachte, Sie wären schon gegangen?“

>Vergessen, du hast etwas vergessen!< Bobby hörte die Stimme und diesmal scheuchte er sie nicht fort, er befolgte ihren Rat.

„Bin ich auch, aber ich hatte meinen Autoschlüssel vergessen!“ Er deutete auf den Schreibtisch, „ ich mußte noch mal zurück. Und dann hab ich mich frisch gemacht. Ist etwas passiert? Es war vorhin ein wenig hektisch.“

Bobby griff mit ruhiger Hand den Autoschlüssel und blickte Raines fragend an. Innerlich raste sein Herz und pochte wie wild.

„Im Trakt neun gab es eine Überlastung, der Strom war weg“, keuchte Raines schließlich. „Und Angelo ist fort!“ Er lauerte geradezu auf ein verräterisches Zucken um Lyles Mundwinkel, doch er wurde enttäuscht.

„Zombie wird sicherlich wieder irgendwo durch die Röhren krabbeln! Ich weiß nicht, warum Parker so einen Narren an diesem Idioten gefressen hat, aber sie ist ganz glücklich, daß das Fieber so schnell wieder gesunken ist.“ Bobby zuckte abfällig mit den Schultern. Er war ein Schauspieler, und er mußte gut sein, wenn er überleben wollte.

Wären Michael und Sam nicht dabei gewesen, sie wären entsetzt gewesen über die Kälte und die Arroganz mit der Lyle über Angelo sprach. Doch sie wußten es besser und innerlich mußten sie ihm zugestehen, daß er selbst sie täuschen könnte.

„Was macht ihr beiden noch hier?“ Bobby drehte sich zu den beiden um, „Die Ratte ist in ihr Loch verschwunden, es ist spät, morgen fängt die Jagd auf Jarod wieder an, ihr könnt gehen!“ Er warf wie beiläufig seinen Schlüssel nach oben und fing ihn wieder auf.

Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er zu Raines, der noch immer am Telefon verharrte. „Wollen Sie hier übernachten? Ich will abschließen!“ Raines setzte sich widerwillig in Bewegung.

>Er war es nicht, es gibt keinen Vorteil und birgt nur Gefahren für LyleWarum versteckst du dich vor ihm?<
>Tue ich nicht, Mum, ich hab ihn gelobt!<
>Feigling!<
>Halt dich da raus, Tommy<

Parker konzentrierte sich wieder aufs Essen, um nicht auf die Stimmen zu hören. Es war schon so eine ganz eigenartige Situation: sie und Jarod und Sydney an einem Tisch, ohne Waffen, ohne Streit, ohne Jäger und Gejagte.

„Danke Parker, ich nehme das mal als Kompliment!“ meinte Jarod trocken, Sydney verkniff sich ein Lächeln. Auch ihm schmeckte es hervorragend.

„Das war aber schlecht! Ein Kompliment wäre es zu sagen, es schmeckt vorzüglich!“ Sam schaute Parker herausfordernd in die Augen und grinste. Sie ließ ihren Blick auch nicht ab, als sie sich ein riesiges Stück Fleisch in den Mund schob, „oder grandios, so was in der Richtung!“

Parker zögerte kurz. Dieser Blick, wußte sie, was sie dachte? War das möglich?

In dem Augenblick hörten sie ein Auto vorfahren und abrupt abbremsen.

„Erwartest du jemanden, Parker?“ Jarod war instinktiv aufgesprungen.

„Eigentlich nicht, aber ich bin ja sowieso jemand, den man ohne Einladung besucht!“ meinte Parker spitz und ging langsam zur Tür. Jarod versteckte sich in der Küche, doch Sam blieb trotzig sitzen.

„Es ist Bobby! Laß ihn rein!“ Mit diesen Worten stopfte sie sich wieder Reis in den Mund.

***

Er hatte gerade die Hand erhoben um zu klopfen, als die Tür aufging. Seine Schwester sah ihn an. Sie drehte sich um und sein Blick fiel auf Sam am Eßtisch: „Woher wußtest du das?“

„Gut geraten!“ Sam blickte nur auf und lächelte ihn mit vollem Mund an. „Hi, Bobby, wilscht du auch wasch eschen? Komm rein!“

Er trat einen Schritt vor und ging dann doch wieder zurück: „Angelo!“

Sie sah ihn an und schluckte das restliche Essen hinunter: „Was ist mit ihm?“

Er blickte zurück zu seinem Auto. Er öffnete den Mund, doch er wußte nicht, was er sagen sollte. Jarod hatte sich inzwischen neben dem Tisch postiert und blickte argwöhnisch auf Bobby. Er hatte von den Veränderungen gehört, ob er es glauben würde, mußte sich erst noch herausstellen.

Sam stand langsam auf: „Er ist krank, Raines?! Dieser verdammte Bastard!“ Mit einem wütenden Schrei stürzte sie aus der Tür zum Auto hin.

Bobby sah ihr hinterher. Parker blickte ihn fragend an, er nickte: „Raines hat ihm was verabreicht, ich weiß noch nichts Genaues, aber es muß Raines gewesen sein.“

„Woher wußte sie das?“ murmelte Sydney nachdenklich, doch Jarod schoß ihm nur einen kurzen Blick zu, bevor er durch die Tür lief und Sam half, Angelo ins Haus zu bringen.

„Legt ihn hier aufs Bett!“ Parker zog die Bettdecke im Gästezimmer weg, und vorsichtig legten Jarod und Bobby Angelo nieder. Sam kam mit Handtüchern und einer Schüssel kalten Wassers herein und setzte sich neben ihren Bruder.

„Es geht ihm nicht gut, wie lange ist er schon so?“

„Ich hab ihn so gefunden, vor ungefähr einer Stunde!“ Bobby setzte sich schwerfällig auf einen Stuhl neben dem Bett, „Raines wollte ihn verlegen lassen, ich dachte, wenn Angelo verschwindet, kann er wenigstens nicht noch mehr Schaden anrichten.“ Sam nickte dankbar und tupfte Angelos Stirn ab.

Jarod überprüfte Angelos Puls und untersuchte seine Augen. Sydney schüttelte den Kopf: „Vor 3 Stunden war ich doch erst bei ihm, da hatte er nur ein leichtes Fieber, nicht mehr!“

„Gestern nacht hatte Willy für ca. zehn Minuten ungehinderten Zutritt, dein Sweeper hat es erst vorhin erfahren. Er wollte es dir sagen, aber du warst gerade weg, da kam er zu mir. Als ich bei ihm war, war er schon so. Es ist das Virus!“ Bobby sah Parker an.

„Welches Virus?“ fragten Parker und Sydney unisono.

„Projekt Orion.“

„Wie lang ist die bekannte Inkubationszeit?“

„Etwas unter 24 Stunden, soviel ich weiß.“

„Wann hatte Raines Zugang?“

„Vor ca. 20 Stunden.“ Bobby zuckte mit den Schultern, „Ich bin mir nicht sicher!“

Sam untersuchte Angelos Arme und den Hals. Schließlich entdeckte sie, wonach sie gesucht hatte. In der linken Armhöhle war ein kleiner Einstich zu sehen. „In die Nähe des Herzens, dann wird es schneller transportiert!“ Sie spuckte diese Worte geradezu heraus.

„Die erste Versuchsreihe, die Raines gestartet hatte, war nach 72 Stunden beendet“, meinte Bobby tonlos. Parker sah ihn fragend an. „Da waren alles Testtiere gestorben.“

„Sie hatten kein Gegenmittel?“ fragte Jarod entsetzt.

„Ich weiß es nicht, es gab nur zwei Versuchsreihen und dann wurde das Projekt auf Eis gelegt, wegen Geldmangel.“ Bobby zuckte wieder mit den Schultern, er war müde und fühlte sich hilflos.

„Jarod!“ Sam sah Jarod flehend an, „Mein Bruder stirbt!“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

„Dein Bruder?“ fragten nun Bobby und Jarod unisono. Bisher wußten beide, daß sie an Angelo stark hing, warum das so war, war ihnen beiden allerdings neu.

Doch Samantha hatte sich wieder zu Angelo gedreht und strich ihm liebevoll über die Stirn.

Die anderen gingen leise hinaus, im Wohnzimmer stand immer noch das Essen bereit.

„Ich werde mir ein paar Informationen holen“, meinte Jarod schließlich.

Parker griff zum Telefon: „Bobby, iß etwas, du siehst schrecklich aus! Ich rufe Broots an, der kann uns helfen!“ Sie wählte eine Nummer.









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